E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häusern
E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häusern
14 Anstrich und Farbe
14 Anstrich und Farbe
Überblick
Geschichte
Konstruktion
Gestaltung
Überblick
Allgemein

Der Begriff Farbe bezeichnet einerseits einen Farbwert wie zum Beispiel Rot, Gelb, Blau sowie Weiss und Schwarz mit allen möglichen Mischungen. Farbe ist aber auch die äusserste Schicht eines Bauteils oder eines Gebäudes, sein Anstrich. In der Fachsprache wird ein Anstrich «Fassung» genannt. Die visuellen und bautechnischen Eigenschaften einer Farbe sollen zusammen betrachtet und bewertet werden.

 
Definition

Farbanstriche bestehen aus einem Bindemittel und Pigmenten. Die Pigmente geben dem Anstrich den Farbwert. Das Bindemittel verbindet oder verklebt die Pigmente untereinander und haftet auf dem Untergrund.

Bis ins 19. Jahrhundert kamen natürliche mineralische und organische Bindemittel wie Kalk und Leinöl sowie natürliche Pigmente zum Einsatz. Seither werden die Bestandteile vorwiegend künstlich oder synthetisch hergestellt. Auch Anstriche auf der Basis natürlicher Stoffe werden oft durch synthetische Zusätze ergänzt.

Übersicht

Die Vielfalt der angebotenen Produkte und Anwendungstechniken ist gegenüber anderen Baubereichen besonders gross. Chemische-, physikalische-, ästhetische- und finanzielle Gesichtspunkte sind zu beachten.[Abb. 1]

Hinweis

Historische Farbsysteme verwenden Leinöl oder Kalk als Bindemittel. Die Kombination mit heutigen Kunstharzanstrichen oder wässrigen Acryl- und Dispersionsfarben führt oft zu Bauschäden. Bei unsachgemässer Ausführung blättern Anstriche ab oder führen zu Fäulnisschäden am gestrichenen Holz.

Hinweis

In Sandsteine kann Wasser durch Risse und lose Stellen falsch gewählter Anstriche eindringen. Das Wasser wird von Sandstein aufgesaugt und führt bei Frost zu Abplatzungen von Sandstein und Anstrich.

Seit den 1970er Jahren werden vermehrt wasserverdünnbare und schneller trocknende Anstrichsysteme verwendet. Gegenüber den Kunstharzfarben reduzieren oder vermeiden diese Farbsysteme den Einsatz von umweltschädigenden Stoffen.

Hinweis

Die neuen Produkte können einfacher aufgetragen werden als Ölfarben. Oft übernehmen deshalb Ungelernte die Malerarbeiten selbst. Die Schutzfunktion des Anstrichs, seine Dauerhaftigkeit und Erscheinung erreichen in der Regel nicht die Qualität einer professionell ausgeführten Arbeit.

[Abb.1]

Unterscheidungsmerkmale Bindemittel

[Abb. 2]

Abblätternder Anstrich

[Abb. 3]

Intakter Anstrich

[Abb. 4]

Abgeplatzter Anstrich auf Sandstein

[Abb. 5]

Intakter Sandstein, Schulhaus Dorf, Stein

Geschichte
Farbe

Farbanstriche an Häusern oder einzelnen Bauteilen verhelfen diesen zu einem besonderen Ausdruck, dienen aber auch als Wetterschutz.

Ungestrichenes Holz verfärbt sich unter Witterungseinfluss je nach Ausrichtung von Dunkelbraun über Silber- bis Dunkelgrau. Ein Farbanstrich verhilft Holzhäusern zu einer hellen Erscheinung, ähnlich der von verputzten Massivbauten.

Gestaltung
Fenster

Erste Farbakzente wurden an Holzhäusern durch das Streichen von Fensterrahmen und Fensterflügeln gesetzt. Werden auch die Fenstereinfassungen, Simsen und Fensterstürze weiss gestrichen, verleiht das dem Haus einen völlig neuen Ausdruck.[Abb. 6]

Die kühne Fassadengeometrie des Bauernhauses erinnert an Bauten der klassischen Moderne aus den 1920er Jahren. Vermutlich waren es zuerst Dorfhäuser, die durch Farbanstriche einen neuen Ausdruck erhielten.[Abb. 7]

[Abb.6]

Naturholzfassade mit weissen Akzenten, Steingasse 3, Trogen

[Abb.7]

Egg, Schwellbrunn

Geschichte
Fassaden

Nach dem Dorfbrand in Gais von 1780 wurden die Häuser am Dorfplatz wieder aufgebaut.[Abb. 8] Der Frankfurter Arzt Johann Gottfried Ebel beschreibt 1798 in der «Schilderung des Gebirgsvolkes vom Kanton Appenzell» seinen Eindruck wie folgt:

«Unter allen diesen Gebäuden, deren gelbliche oder braune Holzfarbe den Augen besonders wohlthut, stechen allein die Kirche, deren Turm und die Wohnung des Arztes hervor, und erinnern mitten in dieser Berggegend an die weissen Mauern der Städte.»

Bereits wenige Jahre später ist 1815 in der Chronik von Landesstadthalter Johann Bartholome Rechsteiner von den ersten gestrichenen Holzhäusern in der Gemeinde Speicher zu lesen.

«Das 1804 erbaute Haus `Zum Sternen` sei steinfarben oder das Haus `Zum Anker` weiss wie ein Mauerverputz bemalt.»

[Abb.8]

Dorfplatz, Gais

Zimmer und Kammern

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden Wände von Innenräumen mit Papiertapeten verkleidet oder in hellen Farben gestrichen. Farbanstriche verbesserten die Lichtverhältnisse und Arbeitsbedingungen.

Mit modischen Dekortapeten konnten die Strickwände gegen Windzug abgedichtet werden. Gleichzeitig wurde in den Ritzen nistendes Ungeziefer wie Flöhe und Wanzen verdrängt.

Konstruktion
Vorbereitungsarbeiten
Hinweis

Vorbereitungsarbeiten werden oft unterschätzt. Sie machen bei fachgerechter Ausführung 1/3 bis 1/2 des ganzen Arbeitsumfangs aus.

Alle Anstriche benötigen eine vorbereitete Oberfläche. Nach dem Überschleifen folgt eine Grundierung, welche möglichst tief ins Bauteil eindringen soll. Das ermöglicht eine gute Haftung der 1-3 folgenden Anstriche.

Bei Renovationsarbeiten müssen bestehende Anstriche je nach Zustand teilweise oder ganz abgetragen werden.

Hinweis

Vor Beginn der Unterhalts- oder Renovationsarbeiten muss die Zusammensetzung der bestehenden Anstriche bestimmt werden. Die vorgefundene Farbqualität bestimmt die nächsten Arbeitsschritte.

Farbuntersuchung

Für die Bestimmung der Anstrichqualität wird Wasser, Universalverdünner und 5%ige Salzsäure benötigt. Nach kleinen Mengen Salzsäure von 100ml kann in einer Drogerie, einer Apotheke oder einem Malerbetrieb gefragt werden.

Qualitätsmerkmale

Die verschiedenen Anstricharten verfügen über unterschiedliche Qualitätsmerkmale. Für die Beschreibung und Bewertung werden unterschiedliche Bereiche beigezogen.

Hinweis

Hat sich ein bestehender Anstrich oder Anstrichsystem bewährt, sollte kein Wechsel zu anderen Produkten oder Systemen vorgenommen werden. Blättert ein Anstrich, wirft Blasen oder ist der Untergrund von Fäulnis befallen, ist ein Wechsel des Anstrichsystem zu prüfen. Abklärungen durch eine Fachperson ermöglichen die richtige Wahl.

[Abb. 9]

Mauerwerk, Putz; Innen und Aussen

[Abb. 10]

Holz; Innen

[Abb. 11]

Holz; Aussen - atmungsaktiv, diffusionsfähig

[Abb. 12]

Holz; Aussen - filmbildend, dampfbremsend

Universalverdünner

Auf eine kleine Fläche des Farbanstrichs wird mit einem Lappen Universalverdünner aufgebracht und verrieben.[Abb. 13][Abb. 14]

[Abb.13]

Filmsequenz Acryl-Dispersionsfarbe verklebt mit Universalverdünner

[Abb.14]

Filmsequenz Ölfarbe verklebt nicht mit Universalverdünner

Salzsäure 5%ig

Mit dem Auftrag von 5%iger Salzsäure kann Kalkfarbe und Mattfarbe nachgewiesen werden. Zur Probe wird die Lösung auf den Anstrich geträufelt. Handelt es sich um eine Kalkfarbe oder Mattfarbe, beginnt diese unter dem Einfluss der 5%igen Salzsäure fein zu schäumen.[Abb. 15]

[Abb.15]

Filmsequenz Kalkfarbe und Mattfarbe mit Salzsäure 5%

Wasser

Gestrichene mineralische Bauteile wie Sockel, Mauern und Verputze werden mit Wasser benetzt. Verdunkelt sich die Oberfläche stark, handelt es sich um eine Kalkfarbe.

Ist die Verdunkelung leicht, kann der Anstrich öl-, kunstharz- oder acrylgebunden sein.[Abb. 16]

[Abb.16]

Übersicht Analyse Anstriche

Bindemittel

Die heute verwendeten Farben oder Anstrichsysteme können in die Untergruppen organische- und anorganische Produkte unterteilt werden. Ob ein Anstrich physikalisch, das heisst durch Verdunstung oder chemisch durch eine Reaktion der beteiligten Stoffe trocknet, beeinflusst die Qualität des Produkts.

Ölfarben

Leinöl ist das Bindemittel klassischer Ölfarben. Das Ölen von Holz- und Sandsteinbauteilen mit Leinöl verleiht diesen eine dunklere Erscheinung und imprägniert die Oberfläche.[Abb. 17]

Hinweis

Die Verdunklung der Oberfläche durch Ölen wird anfeuern genannt.

Hinweis

Ölanstriche dringen ins Bauteil ein und trocknen durch eine chemische Reaktion. Sie oxidieren durch Aufnahme von Sauerstoff.

Ein Anstrich mit Ölfarbe besteht im besten Fall aus einer Ölimprägnierung, einem Vorlack mit viel Füllstoffen und einer Deckfarbe mit mehr Öl. Die Füllstoffe im Vorlack machen diesen zähflüssiger und lassen ihn auch auf Kanten «stehen».

Das ins Holz eindringende Öl der Ölimprägnierung gewährleistet auch eine gute Haftung für die kommenden Anstriche.

Hinweis

Heute werden Ölimprägnierungen aus Kostengründen oft weggelassen. Das hat zur Folge, dass das Holz einen Teil des Öls der Grundierung aufsaugt. Dadurch fehlt es an der Anstrichoberfläche zur Bindung der Farbpigmente und mindert so ihre Qualität.

[Abb.17]

Mikroskop Aufnahme Schichten Anstriche Öl- und Acrylfarbe auf Holzfassade

Schindelfassade gestrichen

Schindeln für gestrichene Fassaden benötigen eine vollständige farblose Imprägnierung. Sie werden vor dem Anschlagen lose oder als ganze Bündel in die Imprägnierung getaucht und sorgfältig trocknen gelassen. Die Trocknungszeit beträgt je nach verwendetem Material einige Tage bis mehrere Wochen.

Die untersten Schindeln einer Fassade, die so genannten Anfängerschindeln, sowie Schindeln für Abwürfe und andere exponierte Stellen sollen vor dem Anschlagen zusätzlich in eine Grundierung getaucht werden.

Nach der Montage des Schindelschirms wird die ganze Fassade weiss grundiert. Anschliessend folgen zwei Deckanstriche.

[Abb.18]

Glattschirm gestrichen, Dorf 2, Wolfhalden

Historische Farben

Bei Ölfarben werden dem Leinöl Pigmente beigemischt. Die Pigmente geben dem Öl eine Färbung und wirken dadurch auch als Schutz vor UV-Strahlen. Das verlängert die Lebensdauer von Anstrich und Bauteil.

Als Grundpigmentierung bei historischen Ölfarben wurde Bleiweiss verwendet. Die feinen Teilchen des Pigments reagieren ebenfalls mit dem Leinöl. Der Trocknungsprozess wird beschleunigt und die Haftung auf dem Untergrund durch die so genannte Verseifung verstärkt.

Hinweis

Gleichzeitig wirkt die giftige Substanz als Fungizid und Herbizid, das heisst als Pilz- und Pflanzengift. Besonders bei Schleifarbeiten schädigt der giftige Staub durch die Aufnahme über Haut und Atemwege Menschen und Tiere.

Hinweis

Bleiweiss wird heute nur noch mit entsprechenden Schutzvorkehrungen für besondere Restaurierungsaufgaben zugelassen.Als Ersatz für das giftige Bleiweiss wird heute Zinkoxid und Titanoxid verwendet.

Farbwert

Durch Beimischung von Pigmentpulver in die weisse Farbe entstehen Anstriche von hellem bis dunklem Grau, in Ocker, Beige sowie einer Palette von hellen oder pastellfarbenen Rot-, Grün-, Gelb- und Blautönen.[Abb. 19]

Hinweis

Pigmente sind teuer und wurden für historische Baufarben nur sparsam verwendet.

Gemahlene natürliche oder gebrannte Erden, die ihren Farbwert oft durch oxydierte Metalle erhalten, sind am weitesten verbreitet.

[Abb.19]

Farbfächer Pigmente

UV-Schutz

Je heller ein Farbanstrich ist, desto mehr UV-Strahlen des Sonnenlichts werden reflektiert. Das gilt auch für Kunstharz- und Acrylfarben.

Es wird von einem «Hellbezugswert» gesprochen. UV-Strahlen zersetzen Anstriche und mindern ihre Schutzfunktion, Ästhetik und Lebensdauer.

Erhitzung durch Sonneneinstrahlung

Je dunkler oder bunter ein Anstrich ist, desto mehr heizt sich die Oberfläche bei Sonneneinstrahlung auf. An der Oberfläche können dadurch Temperaturen von bis zu 80° C entstehen. Die Erhitzung führt zur weiteren Austrocknung von Holzbauteilen und damit zu Rissbildung.

Kunstharzfarbe

Bei Kunstharzfarben wird das Bindemittel Leinöl durch ein Kunstharz, einem Alkydharz, ersetzt. Auf die Grundierung werden ein Vor- und ein Deckanstrich aufgetragen.

Modifizierte Öl- und Kunstharzfarbe

Ölfarbe ist so genannt wasserquellbar. Das heisst, dass der Anstrich bei Einwirkung von Nässe durch Regen, Schnee oder Nebel Feuchtigkeit aufnimmt und quillt.

Hinweis

Die Ölfarbe bleibt elastisch und kann den Bewegungen des Holzuntergrundes folgen, ohne Risse zu bilden. Nachteil der Wasserquellbarkeit ist die geringere Härte und Kratzfestigkeit im feuchten Zustand. Das wird durch die grössere Schichtdicke von Ölanstrichen ausgeglichen.

Ölfarbe wird in 3 - 4 Schichten aufgetragen. Nach der einer vergleichsweise dünnflüssigen und gut in den Untergrund eindringenden Grundierung kommt ein Zwischenanstrich. Dann folgen je nach Beanspruchung des Bauteils 1 - 2 Deckanstriche mit zunehmender Schichtdicke.

Die Trocknungszeit ist lange. Über mehrere Wochen bleibt der Anstrich leicht klebrig und weich. Er behält seine Elastizität aber viel länger als Kunstharzfarbe.

Hinweis

Ölfarbe ist langlebig und unterhaltsfreundlich. Die Verarbeitung ist anspruchsvoll und deshalb teurer als bei Kunstharzfarben.

Hinweis

Kunstharzfarbe oder modifizierte Ölfarbe ist einfacher zu verarbeiten, sie trocknet rascher als Ölfarbe. Vor- und Deckanstrich sind in der Regel identisch, sie kommen aus demselben Eimer. Die Kosten sind tiefer als bei Ölfarbe, die Lebensdauer aber ist kürzer.

Acryl- und Dispersionsfarbe

Acryl- und Dispersionsfarben sind wasserlöslich. Im Vergleich mit Öl- oder Kunsthatzfarben sind wassergebundene Anstriche noch einfacher zu verarbeiten und entsprechend günstiger.

Die namengebenden Polymerkügelchen sind verhältnismässig gross und können schlechter ins Holz eindringen.

Grundierung

Als Grundlage für Öl-, Acryl- und Dispersionsanstriche wird eine farblose Holzimprägnierung aufgetragen. Es ist darauf zu achten, dass die ins Holz eindringende Grundierung reichlich, aber nicht zu stark erfolgt. Das Frühholz, das heisst die hellen Jahrringe, saugen mehr Material auf als das dunklere Spätholz. Überschüssige Grundierung muss entfernt werden, um eine Schichtbildung zu vermeiden.[Abb. 20]

[Abb.20]

Jahrringe Fichtenholz

Eisenglimmerfarbe

Stark beanspruchte Bauteile wie Abwürfe über Fenstern und Sockelmauern halten länger, wenn auf die Grundierung ein Anstrich mit Eisenglimmerfarbe aufgetragen wird.[Abb. 21]

[Abb.21]

Eisenglimmerfarbe

Kalkfarbe

Mit dem Begriff Mineralfarbe ist in der Regel eine Kalkfarbe gemeint. Dafür wird eine wässrige Flüssigkeit aus 5 Teilen Wasser und 1 Teil gemahlenem gelöschten Kalk angerührt.

Gelöschter Kalk entsteht, wenn Kalksteine hoch erhitzt und nach dem Abkühlen mit Wasser vermengt werden. Dabei entsteht ein weisser Brei, der getrocknet und anschliessend gemahlen wird.

Löschkalkpulver wird für die Verwendung als Kalkfarbe wieder mit Wasser angerührt. Der Trocknungsprozess einer Kalkfarbe geschieht über eine so genannte Karbonatisierung. Dabei verwandelt sich der im Wasser gelöste gelöschte Kalk wieder in Kalkstein und wird weiss. Das überschüssige Wasser verdunstet.

Bei Kalkfarben ist der Kalk sowohl Bindemittel als auch weisses Grundpigment.

Schimmelpilz

Mit dem Begriff Mineralfarbe ist in der Regel eine Kalkfarbe gemeint. Dafür wird eine wässrige Flüssigkeit aus 5 Teilen Wasser und 1 Teil gemahlenem gelöschten Kalk angerührt.

Gelöschter Kalk entsteht, wenn Kalksteine hoch erhitzt und nach dem Abkühlen mit Wasser vermengt werden. Dabei entsteht ein weisser Brei, der getrocknet und anschliessend gemahlen wird.

Löschkalkpulver wird für die Verwendung als Kalkfarbe wieder mit Wasser angerührt. Der Trocknungsprozess einer Kalkfarbe geschieht über eine so genannte Karbonatisierung. Dabei verwandelt sich der im Wasser gelöste gelöschte Kalk wieder in Kalkstein und wird weiss. Das überschüssige Wasser verdunstet.

Bei Kalkfarben ist der Kalk sowohl Bindemittel als auch weisses Grundpigment.

Hinweis

Auf Kalkanstrichen wachsen kaum Schimmelpilze. Bis ins 20. Jahrhundert war es üblich, Küchen, Bäder und Ställe regelmässig frisch zu kalken. Damit konnte die Bildung von Schimmelpilzen vermieden werden. Gleichzeitig waren die Wandoberflächen immer weiss, die Räume sauber und hell.

Silikatfarbe

Seite Ende des 19. Jahrhunderts werden anstelle von gelöschtem Kalk silikathaltige Bindemittel verwendet. Zur Anwendung kommen Kaliwasserglas oder Kaliumsilikat.

Hinweis

Heutige Mineralfarben sind meistens Silikatfarben, zum Beispiel so genannte Keimfarben, benannt nach dem Erfinder Adolf Wilhelm Keim.

Unterhaltsarbeiten und Instandstellung

Anstriche sind Verschleissschichten. Sie bauen sich unter Einfluss von Sonne, Wind, Regen und Schnee stetig ab. Glänzende Anstricke werden matt. Regelmässige Unterhaltsarbeiten verlängern die Lebensdauer und die Schutzfunktion des Anstrichs.[Abb. 22]

Leinölfarbanstriche können nach der Reinigung mit einer feinen Schicht Leinöl aufgefrischt werden. Das Öl dringt in die bestehende Farbe ein und nährt diese.

Hinweis

Lappen mit Leinölresten können sich selbst entzünden. Sie dürfen nicht in Eimern oder auf Haufen gelagert bzw. entsorgt werden. Die gebrauchten Lappen sind zuerst an geeigneter Stelle trocknen zu lassen.

Anstriche mit modifizierter Ölfarbe, also Kunstharz- oder Alkydharzfarben, werden zuerst gereinigt, fein angeschliffen und mit anschliessend einem neuen Anstrich versehen.[Abb. 23]

[Abb.22]

Verwitterte Ölfarbe

[Abb.23]

Ölfarbe aufgefrischt

Entfernen von Anstrichen

Wenn bei Renovationsarbeiten der bestehende Anstrich angeschliffen oder entfernt werden muss, sind folgende Regeln einzuhalten:

Ölfarben werden angeschliffen. Dazu kommen so genannte Rutscher, Exzenter und Winkelschleifer und Flexbürsten zum Einsatz. Beim Einsatz ist darauf zu achten, dass keine Schleifspuren im Holz entstehen. Die dunklen Jahrringe sind härter als die hellen Teile. Bei unsachgemässem Bürsten werden die hellen Teile «ausgeschliffen». Schleifen kann zu unschönen Vertiefungen und zur Schädigung der Holzoberfläche führen.

Dispersionen und Acrylanstriche sind in getrockneten Zustand Thermoplaste. Durch das Schleifen entsteht Wärme. Die Anstriche schmelzen und werden schmierig. Deshalb sollen diese Arbeiten bei möglichst tiefen Aussentemperaturen durchgeführt werden. Es darf nicht zu lange an der gleichen Stelle geschliffen werden, um Erhitzung zu vermeiden. [Abb. 24]

Lose Farbschichten auf Schindelfassaden können mit einem Kratzeisen entfernt werden. So gelingt es, die innen liegenden Ecken zu erreichen und die Kanten zu schonen.[Abb. 25]

[Abb.24]

Holzfassade mit Schleifspuren

[Abb.25]

Kratzeisen

Auftrag, Farbe und Haftung

Der Farbauftrag auf grössere Flächen erfolgt in der Regel mit einer Rolle. Anschliessend wird das Material mit Bürste oder Pinsel nachgestrichen und die Schichtstärke auf das gewünschte Mass reduziert.[Abb. 26]

Ein Farbauftrag durch Spritzen führt nicht zur erforderlichen Eindringtiefe des Materials. Die Auftragsstärke ist schwer zu kontrollieren. Bei Ölfarben besteht bei zu starker Schichtstärke die Gefahr von «Runzelbildung».[Abb. 27]

[Abb.26]

Roller

[Abb.27]

Runzelbildung

Gestaltung
Fassaden und Innenräume
Hinweis

Farben müssen vor Ort mit Farbkarten und Mustern bestimmt werden. Die hier präsentierten Farbwerte, ob auf dem Bildschirm oder auf dem Ausdruck, vermitteln einen ungefähren Eindruck.

Hinweis

Die Farbwerte sind nur bei Tageslicht präzise erkennbar. Es ist zu beachten, dass das Licht am Vormittag einen höheren Anteil an blauer Farbe aufweist. Die Farbwahl sollte deshalb nicht vor 11.00 Uhr vorgenommen werden.

Regionale Unterschiede

Fensterläden in Farbtönen von Grün, Gelb bis Ocker, Rottönen, verschiedenen Grauwerten und Gelbvarianten ermöglichen individuelle Akzente an den sonst farblich zurückhaltend gestalteten Häusern.

Im Appenzeller Hinterland (Urnäsch, Herisau, Schwellbrunn, Hundwil, Schönengrund, Waldstatt) sind auffallend viele Fassaden in gedeckten Erdfarben gestaltet.

Die Häuser am Platz in Herisau zeigen sich nach Fassadenrenovationen in abgestuften Pastelltönen. In den Gemeinden Stein und Schwellbrunn sind weissgraue Farbtöne vorherrschend.

In Appenzell Innerrhoden werden an den Bauernhäusern eigene Farbgestaltungen gepflegt. Der Wohnteil ist meist in mit Grün, Blau oder Gelb abgetöntem Weiss oder in hellen Grautönen gestrichen. Die Ställe zeigen sich in charakteristischen Ockerfarben. Stall- und Tenntüren sind Rotbraun grüne Klappläden der Stallfenster runden das Bild ab.

Die Hauptgasse in Appenzell zeigt sich seit den 1930er Jahren in neuer Gestaltung. Der Architekt und Designer Johannes Hugentobler (1897-1955) entwarf eigenständige Vorschläge für die Ausgestaltung von Kirchen und Profanbauten. Sie verdanken ihre heutige Erscheinung Hugentoblers Einfallsreichtum und Können.

[Abb. 28]

Poststrasse mit Rathaus, Heiden

[Abb. 29]

Dorfplatz, Urnäsch

[Abb. 30]

Dorf 13 -16, Hundwil

[Abb. 31]

Platz, Herisau

[Abb. 32]

Häuserzeile Dorf 1-5, Stein

[Abb. 33]

Blumenau 148, Steinegg

[Abb. 34]

Hauptgasse, Appenzell

Farbpalette Fassaden
Hinweis

Farben müssen vor Ort mit Farbkarten und Mustern bestimmt werden. Die hier präsentierten Farbwerte vermitteln auf dem Bildschirm oder als Ausdruck nur einen ungefähren Eindruck.

[Abb. 35]

RAL 1001 Beige

[Abb. 36]

NCS S 2020-Y20R

[Abb. 37]

RAL 1002 Sandgelb

[Abb. 38]

NCS S 2030-Y10R

[Abb. 39]

RAL 7032 Kieselgrau

[Abb. 40]

NCS S 3005-G80Y

[Abb. 41]

RAL 3009 Oxydrot

[Abb. 42]

NCS S 4550-Y70R

[Abb. 43]

RAL 3011 Braunrot

[Abb. 44]

RAL 1024 Ockergelb

Fassadengestaltung

An gestrichenen Holzfassaden werden Architekturelemente wie Simse, Fensterleibungen, Pilaster und Lisenen, Friese, Füllungen und Profilleisten oft mit feinen Unterschieden im Farbwert oder in der Helligkeit betont. Das bewirkt, dass trotz der bescheidenen Reliefwirkung einer Täferfassade eine deutliche plastische Wirkung entsteht.[Abb. 45][Abb. 46][Abb. 47]

[Abb.45]

Täferfassade hell gestrichen, Fabrikantenhaus, Unterrain 4, Teufen

[Abb.46]

Täferfassade hell gestrichen, Fallläden Ocker, Pfarrhaus, Dorf 71, Grub

[Abb.47]

Täferfassade gestrichen, Friese und Füllungen mit Kontrast, Dorf 13,14, Hundwil

Fenster

Weisse Fenster sind die Regel. An öffentlichen Bauten und Fabrikantenhäusern werden Fenster und ihre Sprossen auch Braun, bunt, oder in Grautönen gestrichen. Damit wird die Palette der Ausdrucksmöglichkeiten erweitert. Im Trogen findet sich die grösste Auswahl bunt gestrichener Fenster.[Abb. 48][Abb. 49]

[Abb.48]

Fenster Hellbraun, Fünfeck Palast, Trogen

[Abb.49]

Fenster Dunkelrot, Zeughaus, Trogen

Lisenen und Pilaster

Ecklisenen und Pilaster werden oft in einem dunkleren Farbton von der Fassadenfläche abgesetzt und mit einem zusätzlichen Zierelement versehen. Entweder als erhöhte Fläche von der Grundebene abgesetzt oder lediglich aufgemalt, beispielsweise mit Rauten.[Abb. 50]

[Abb.50]

Eckpilaster mit aufgemalten Rauten, Dorf 36, Speicher

Ornamente und Verzierung

Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts werden repräsentative Bauten mit aufgemalten Ornamenten versehen. In der Regel sind es Muschelmotive, so genannte Rocaillen. Als Vorbilder für die Verzierungen dienen Muschelmotive französischer Bauten im Barock- und Rokokostil.

Täfer

Die von Friesen eingefassten Felder der verzierten Täferfelder erscheinen wie eine Aufreihung gerahmter Bilder. Eine Häufung der Ziermalereien ist an Fabrikantenhäusern in Herisau und Trogen zu beobachten.[Abb. 51]

Hinweis

Gemalte Verzierungen müssen wie die übrigen Fassadenteile in regelmässigen Abständen unterhalten werden. Dafür sind speziell ausgebildete Fachleute gefragt.

Verblichene Ornamente können mit abgestimmten Leinölmischungen aufgefrischt werden. Sich lösende Farbteile müssen mit geeigneten Methoden verfestigt werden. In Einzelfällen können Fehlstellen restauriert oder ergänzt werden.[Abb. 52]

Hinweis

Unsachgemäss restaurierte Ziermalereien verfehlen die ursprünglich beabsichtigte Wirkung. Eine Korrektur der Fehlleistung ist kaum möglich.

[Abb.51]

Ornamente verfestigt und restauriert, Krone, Landsgemeindeplatz 3, Trogen

[Abb.52]

Ornamente in Kunstharzfarbe nachgemalt

Fensterläden

Zusätzliche Flächen für dekorative Gestaltung bieten die Fensterläden. Am weitesten verbreitet sind einfache Holzläden in kräftigen Kontrastfarben zur übrigen Fassade. Die Farbpalette reicht von Grau über Ocker, Rottönen bis zu den klassischen grünen Fensterläden.[Abb. 53][Abb. 54]

Hinweis

Farben müssen vor Ort mit Farbkarten und Mustern bestimmt werden. Die hier präsentierten Farbwerte, ob auf dem Bildschirm oder auf dem Ausdruck, vermitteln nur einen ungefähren Eindruck.

[Abb.53]

Läden mit Rocaillen, Haus Wetter, Platz 12, Herisau

[Abb.54]

Rocaille, Detail, Landsgemeindeplatz 4, Trogen

[Abb. 55]

RAL 6005 Moosgrün

[Abb. 56]

RAL 6017 Maigrün

[Abb. 57]

RAL 3011 Braunrot

[Abb. 58]

RAL 1024 Ockergelb

[Abb. 59]

RAL 5020 Ozeanblau

Farbbezeichnung

Um über Farben sprechen zu können, sind Farbkarten hilfreich. Sie reihen Farbwerte systematisch auf und bezeichnen diese mit Namen und Ziffern. In der Praxis haben sich die Farbbezeichnungen nach RAL und NCS bewährt.

Hinweis

Die RAL-Farbkarte umfasst eine Farbpalette, wie sie auch an historischen Häusern verwendet werden kann.

Bei RAL-Farbtönen werden auch Mischfarben wie Ocker oder Umbra verwendet. Die Farben wirken kräftig, aber nicht schrill. Die Farbsammlung RAL-Classic umfasst 216 Farbtöne. Farbtonfächer und Farbtabellen sind günstig zu kaufen.[Abb. 60]

Das NCS-System umfasst 2050 Farbwerte, gemischt aus den Grundfarben Rot, Blau, Gelb, sowie Weiss und Schwarz. Die Farbkarten sind sehr umfangreich und entsprechend teuer.[Abb. 61]

[Abb.60]

RAL-Farbkarte

[Abb.61]

NCS-Farbfächer

Kontrast

Neben dem Farbwert spielt der Kontrast zwischen hellen und dunklen Partien eine grosse Rolle. Bei der Farbgestaltung ist es hilfreich, sich eine Schwarzweiss Fotografie der Fassade vorzustellen. Die Farben sollen so gewählt werden, dass sie sowohl als Farbwerte wie auch als Hell-Dunkel-Abstufung wirken. [Abb. 62][Abb. 63]

[Abb.62]

Holzfassade Farbaufnahme, Gontenstrasse 40, Gonten

[Abb.63]

Holzfassade Schwarz-Weiss, Gontenstrasse 40, Gonten

Fenster- und Sturzsimse

Auf Simsen und Verdachungen lagert sich wegen des Strassenverkehrs Staub ab. Es ist deshalb sinnvoll, die nicht zu vermeidende Verschmutzung durch einen kupferfarbenen oder mittelgrauen Anstrich auszugleichen. Eine frisch gestrichene Fassade wirkt so auch nach Jahren noch sauber und klar.[Abb. 64]

[Abb.64]

Brüstungs- und Sturzsimse dunkel gefasst, Dorfplatz 10/11/12, Gais

Fleckenbildung

Unbehandeltes Holz verfärbt sich durch den Einfluss von UV-Strahlen. Das Lignin im Holz wird abgebaut. Es entsteht ein wasserlösliches Abbauprodukt, welches die Haftung von Anstrichen schwächen kann.[Abb. 65]

Unter einem Vordach bleibt Holz lange hell, später dunkelt es nach und erhält eine braune Farbe. Beregnete Flächen werden Grau bis Schwarz. Um die oft unerwünschte Fleckenbildung zu vermeiden, bleibt nur die Möglichkeit, das Holz mit einer deckenden Farbe zu streichen.[Abb. 66]

[Abb.65]

Holz vergraut

[Abb.66]

Naturholzfassade mit Verwitterungsflecken

Vorvergrauung

Die Fleckenbildung auf Naturholzfassaden kann durch eine so genannte Vorvergrauung eingeschränkt werden. Die graue Pigmentierung entspricht ungefähr dem Farbwert der Verfärbung durch Witterungseinflüsse und bewirkt eine gleichmässigere Erscheinung.[Abb. 67]

[Abb.67]

Fassade vorvergraut; Gossauerstrasse 31a, Herisau

Innenräume

Das Streichen von Zimmerwänden in hellen Farben verbessert die Verteilung des Tages- und Lampenlichts in den Stuben und Kammern. Für die feine Arbeit im Zusammenhang mit der Heimweberei im Keller und den Stuben des Erdgeschosses war das früher von grosser Bedeutung.

Gleichzeitig sollte mit den Anstrichen Ungeziefer vertrieben werden. Anstriche mit Kalk und Leinöl werden von Wanzen und Läusen gemieden.

Eine weisse Grundfarbe wird mit roten, blauen, grünen oder gelben Pigmenten getönt. Die hellen Pastellfarben wirken noch heute zeitgemäss und freundlich.

[Abb.68]

Kammer, Hörliweg 272, Teufen

[Abb.69]

Treppenhaus, Hörliweg 272, Teufen

Farbpalette Innenräume
Hinweis

Farben müssen vor Ort mit Farbkarten und Mustern bestimmt werden. Die hier präsentierten Farbwerte, ob auf dem Bildschirm oder auf dem Ausdruck, vermitteln nur einen ungefähren Eindruck.

Im Band 31 «Die Bauernhäuser beider Appenzell» schreibt Isabell Hermann:

Im «Appenzellerkalender» von 1849 wurde ein Rezept für einen `wohlfeilen Holzanstrich im Innern von Häusern` bekannt gemacht. Es handelt sich um eine Milchfarbe, die sich aus abgerahmter Milch, gelöschtem Kalk, Öl, Ton oder Kreide und einem Farbstoff zusammensetzte. […] Blau soll geschätzt worden sein, weil es angeblich von Fliegen gescheut wurde.

Hinweis

Die Nachmischung und Anwendung der «wohlfeilen» Rezeptur wird nicht empfohlen.

[Abb. 70]

NCS S 1010-Y60R

[Abb. 71]

NCS S 0505-Y30R

[Abb. 72]

NCS S 1010 B

[Abb. 73]

NCS S 0515-G20Y

Glänzende Oberfläche
Hinweis

Mit glänzenden Farben gestrichene Bauteile sind in der Regel wetterbeständiger. Der Glanz ist wesentlicher Bestandteil der Erscheinung. Das gilt für Fassaden und Innenräume.

Staubpartikel aus der Aussenluft stammen zu einem grossen Teil von Pflanzen und dem Strassenverkehr. Im Hausinnern ist es durch das Wohnen entstehender Hausstaub. Dieser entsteht durch Abnützung von Oberflächen durch das Gehen sowie durch Berührungen bei alltäglichen Aktivitäten.

Hinweis

Auf feinen glänzenden Oberflächen bleibt Staub kaum haften. An Fassaden wird er vom nächsten Regenguss wieder weggespült. Von Zimmerwänden kann er leicht weggewischt werden.

Mit Dispersions- und Acrylfarben sind matte, seidenmatte bis glänzende Oberflächen möglich. Matte Farben sind wegen der raueren Oberfläche anfällig für Verschmutzung. Staub kann sich festsetzen. An häufig berührten Stellen im Bereich von Türen und Fenstern sowie Wänden hinter Sofas und Betten lagert sich zusätzlich Hautfett ab. Das führt zu grauen Verfärbungen und Glanzspuren.

Anstrichtechnik und Textur
Hinweis

Die Methode des Farbauftrags ist nicht nur für das Füllen von Poren und Ritzen entscheidend. Die durch die Art des Auftrags entstehende Oberflächenbeschaffenheit oder Textur ist wesentlicher Bestandteil der Erscheinung.

Wird eine Farbe mit Pinsel oder Bürste aufgetragen, also gestrichen, entsteht dabei eine fein modellierte Oberfläche, ein so genannter Pinselstrich. Dieser gibt dem Bauteil eine Richtung, längs oder quer, und passt sich so gut in die historische Umgebung ein.[Abb. 74]

Bei einem Farbauftrag mit Rolle entstehen an der Oberfläche unzählige leichte Erhöhungen. Aus der Ferne betrachtet ähnelt diese einem feinen Frotteestoff.[Abb. 75]

Hinweis

Wird eine Fläche gerollt, um in einem Arbeitsgang mehr Farbe auftragen zu können oder Zeit zu sparen, soll die frische Farbe anschliessend mit dem Pinsel verstrichen werden. Das gilt das besonders für die wasserlöslichen Acryl- und Dispersionsfarben. Durch das nachträgliche Verstreichen wird eine glatte, für historische Anstriche typische Oberfläche erreicht.

[Abb.74]

Oberfläche gestrichen

[Abb.75]

Oberfläche Dispersionsfarbe gerollt

Tapeten

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts werden Innenräume mit Tapeten verkleidet. Unzählige Muster wurden auf Papierrollen gedruckt. Die Tapetenbahnen werden mit Kleister auf die Strickwände oder verputzten Mauern aufgezogen.

Die Raumwirkung von tapezierten Räumen wirkt heute düster. Die vorwiegend dunklen Grundfarben und teilweise wilden Muster sind interessant, entsprechen aber kaum heutigen Wohnbedürfnissen.

Über die Herstellung, den Vertrieb und das Aufziehen der Papiertapeten im Appenzellerland ist bisher wenig bekannt. Bei ersten Vergleichen mit Tapetensammlungen anderer Kantone konnten feine, aber bemerkenswerte regionale Unterschiede festgestellt werden.

Recherchen zu Druck, Handel und Applikation der Tapeten stehen noch aus. Die Resultate werden nach Abschluss dieser Arbeiten in den bauatlas.ch aufgenommen.

Im Archiv der Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden liegt eine Sammlung von über hundert Tapetenmustern.[Abb. 76]

[Abb.76]

Tapetenmuster

Zweck

Tapeten verleihen einem Raum einen völlig neuen Ausdruck. Sie schmücken ihn im Stil der jeweiligen Zeit. Gleichzeitig dichten Tapeten die Ritzen eines Strickbaus ab. Sie machen das Wohnen auch raumklimatisch behaglicher.

Ein weiterer Nutzen tapezierter Räume wird in einem Ratsprotokoll des Gemeinderats Urnäsch p.346 vom 2. Juni 1846 festgehalten:

«Vom Lehrer Eugster in Sayen wird über zu viele Wanzen geklagt. Erkennt ein paar Zimmer zu vertapezieren u. gleichwohl suchen die Wanzen zuvor zu vertilgen.»

Literaturhinweise

Hermann, Isabell. Die Bauernhäuser beider Appenzell. Herisau: Appenzeller Verlag, 2004.

Schlatter, Salomon. Appenzellerhaus und seine Schönheiten. Trogen, Appenzell Ausserrhoden: Heimatschutz Appenzell Ausserrhoden, 1986.

Steinmann, Eugen. Die Kunstdenkmäler des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Basel: Birkhäuser Verlag, 1980.

Expert:innen

Bischof, Roman. Malermeister und Experte in diversen Gesprächen und Werkstattbesuche: Speicher, 2023.

Ecca Giada. Malerin und Expertin zu Handwerk in der Denkmalpflege: (...) 2023.

Christoph Wüthrich. Fachgruppenleiter BWZ: Toggenburg 2023.

Abbildungsverzeichnis
[Abb. 3,7,24,68,69,76]

Diverse Titel, 2023.
Bildarchiv Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden

[Abb. 1,2,4,17,20,35-44,55-61,65,70-73,75]

Diverse Titel, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen an Historischen Häuser

[Abb. 5,6,8,28-34,45-54,62-64,67]

Diverse Titel, 2024.
Fotograf Martin Benz

[Abb. 14-16,21-23,27]

Diverse Titel, 2023.
Filmemacher Thomas Karrer

[Abb. 19]

Farbfächer Pigmente, 2023.
Vera Marke

[Abb. 18]

Mikroskop Aufnahme Schichten Anstriche Öl- und Acrylfarbe auf Holzfassade, 2023.
BWS Labor AG

[Abb. 9-13,25,26]

Diverse Titel, 2023.
Malermeister Roman Bischof

[Abb. 66]

Naturholzfassade mit Verwitterungsflecken, 1850.
Hans Ueli Fitzi