E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häusern
E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häusern
08 Bedachung
08 Bedachung
Überblick
Geschichte
Konstruktion
Gestaltung
Überblick
Allgemein

Dächer von Appenzellerhäusern sind heute meist mit Ziegeln eingedeckt. Als Ziegeltypen kommen Biberschwanz-, Muldenfalz- und Herzfalzziegel zur Anwendung. Selten sind Blechdächer und Eindeckungen mit Faserzement-Schieferplatten anzutreffen. Auf Stallbauten und Scheunen werden auch gewellte Faserzementplatten verlegt.

Dächer sind die fünfte Fassade eines Hauses. Sie sind im hügeligen Appenzellerland gut einsehbar und mit der gleichen Sorgfalt zu behandeln wie die vertikalen Fassaden. Die ruhig erscheinenden Dachflächen werden nur von Kaminen, Dunstrohren und Stallentlüftungen, seltener von Lukarnen, Gauben und Dachflächenfenstern durchbrochen.

 
Wind

Grosse Vordächer werden dann gebaut, wenn Fenster, Blumengestelle, Zugläden oder Treppenläufe vor Regen oder Sonneneinstrahlung geschützt werden müssen. [Abb. 1]

Hinweis

Vordächer sind Angriffsflächen für den Wind. Sie stellen eine Schwächung der Gebäudehülle dar. An der Vordachunterseite entstehen Druck-, an der Dachoberfläche Sogkräfte.

An Holz- und Massivbauten werden oft keine oder knapp bemessene Vordächer gebaut. Fassaden ohne Vordach werden zwar stark beregnet, trocknen aber wegen des ungehinderten Zugangs von Sonne und Wind schnell wieder aus.

[Abb.1]

Windkräfte an Haus mit Vordach, Multiphysikmodellierung ZHAW

Geschichte
Schindeldach

Die ersten Dächer werden mit grossen Brettschindeln gedeckt. Diese sind mit Steinen beschwert und so vor dem Abdecken durch starken Wind geschützt. Die Dachneigung beträgt bis ins 17. Jahrhundert etwa 30°.

Ab etwa 1650 stehen Eisennägel für die Befestigung der Dachschindeln zur Verfügung. Während des Dreissigjährigen Kriegs (1618-1648) entwickelt sich die Eisenindustrie in Deutschland. In Massenproduktion produzierte Eisennägel werden bezahlbar. Schindeln werden nun auf die Unterkonstruktion genagelt. Die Dächer können mit einer Neigung von 45° steiler gebaut werden. Unter dem Steildach entsteht zusätzlicher Raum für eine Firstkammer.

Die Dacheindeckung wird auch Dachhaut genannt. Trockene Schindeldächer sind leicht brennbar. Über Funkenflug z.B. aus offenen Feuern von Schmieden entstanden Dorfbrände bis ins 19. Jahrhundert in Urnäsch, Herisau, Rehetobel und Gais.

Ziegeldach

Eine Dacheindeckung aus Tonziegeln ist ein langlebiger Wetter- und Brandschutz. Nach verheerenden Dorfbränden werden ab dem 16. Jahrhundert in Appenzell, Heiden, Herisau und Urnäsch Ziegeleien gebaut.

Für die Ziegelproduktion wird Lehm aus lokalen Gruben verwendet. In Herisau in Neurüdlen beim Alten Zoll, in Heiden am Kellenberg. Durch das Brennen erhalten die Ziegel eine rote Farbe. Mit dem Witterungseinfluss bilden sich auf der Oberfläche Flechten und Moosbeläge, eine so genannte Patina. Das Ziegelrot prägt bis ins 20. Jahrhundert die Dachlandschaft. Heute bestimmen noch in Rehetobel und Heiden rote Ziegel das Dorfbild. [Abb. 2]

[Abb.2]

Luftbild Rehetobel 1987

Konstruktion
Dachvorsprung

Grosse Vordächer von 80-120 cm Ausladung schützen die Fensterreihen der Hauptfassaden mit ihren Zug- und Fallläden vor Schlagregen und Sonneneinstrahlung.

Hinweis

Die seitlichen und rückwärtigen Dachvorsprünge sind knapp bemessen. Sie verbinden Fassade und Dach. Sie sind nicht als Wetterschutz für die sparsam befensterten Holzfassaden ausgebildet. Die Fenster auf den Seiten- und Rückfassaden sind mit Regendächlein/Abwürfen und Ohrenklappen vor Regen geschützt.

Pfetten

Parallel zu First und Traufe verlaufende Dachbalken werden Pfetten genannt. Sie sind die Unterkonstruktion für Rafen und Sparen.[Abb. 3]

[Abb.3]

Pfetten-Rafen-Dach

01

Rafen oder Sparren; mit Kerfen auf Pfetten gelegt

02

Firstpfette; liegt auf Giebelwand und Pfosten

03

Mittelpfette; liegt auf Giebelwand und Firstkammer

04

Fusspfette; oberer Abschluss Seitenwand

Rafen und Sparren

Die längs zur Dachschräge verlaufenden Balken werden Rafen oder Sparren genannt. Rafen liegen auf der Tragkonstruktion, den Pfetten auf.

Sparren sind mit einem Versatz in die Horizontalbalken gestellt und sind Teil der Tragkonstruktion. Sogenannte Aufschieblinge liegen auf den Sparren und Schwellen. Die Aufschieblinge ermöglichen das Herausziehen der Bedachung über die Aussenwand. Der Winkel zwischen Sparren und Aufschiebling wird Dachbruch genannt.[Abb. 4]

Heute wird auch bei Pfettendächern an Stelle des Begriffs Rafen fast ausschliesslich die Bezeichnung Sparren verwendet.

[Abb.4]

Sparrendach mit Aufschieblingen

01

Sparren; mit Versatz auf Streckbalken montiert

02

Aufschiebling; mit Zapfenverbindung auf Sparren als Überdachung der Fusspfette

03

Streck- oder Bundbalken; mit Versatz für eingespannte Sparren

04

Überblattung; mit Holzdübel fixiert

05

Fusspfette mit Pfosten; Auflager für Aufschiebling

Schindellattung

Für die Montage der Schindeln wird quer zu den Sparren/Rafen eine Schindellattung angebracht. Bei historischen Häusern sind es Schwartenbretter. [Abb. 5] Heute werden Dachlatten mit einem Querschnitt von 24 / 48 mm verwendet. [Abb. 6]

[Abb.5]

Schwartenbretter von innen, Dorfplatz 14, Urnäsch

[Abb.6]

Dachlatten von innen, Kreuzstrasse 17, Herisau

Schindelunterzug

Die Schindeln werden auf die Schindellattung genagelt. [Abb. 7] Sie bilden eine innere wasserabführende Ebene. Wegen defekten Ziegeln eindringendes Wasser und durch Wind eingetragener Treibschnee werden aufgehalten. Der Schindelunterzug soll unterhalb der Dachrinne über die Fassadenverkleidung geführt werden. So kann eingedrungenes Wasser oder geschmolzener Treibschnee abgeleitet werden. Im Winter weisen Eiszapfen unter der Dachrinne auf eine defekte Dacheindeckung hin.

Undichte Schindelunterzüge können durch das Auswechseln einzelner Schindeln repariert werden. Bei grösseren Schäden kann als günstige Variante eine Unterdachfolie auf den Schindelunterzug verlegt werden.

[Abb.7]

Schindellattung

Konterlattung

Auf den Schindelunterzug oder das Unterdach werden in Richtung der Rafen/Sparren Dachlatten mit einem Querschnitt von 48 / 48 mm geschraubt oder genagelt. Diese dienen der Hinterlüftung der Dachhaut und der Aufnahme der Ziegellattung. [Abb. 8]

Bei grossen Abständen der Sparren-/Rafen wird eine zusätzliche Konterlatte zwischen die Sparren/Rafen gelegt. Die Befestigung erfolgt von oben her durch die neue Ziegellattung.

[Abb.8]

Konterlattung

Ziegellattung

Die Ziegellattung besteht aus Dachlatten mit einem Querschnitt von 24 / 48 mm. Sie werden auf die Konterlattung genagelt. Für den knappen seitlichen Dachvorsprung werden die Ziegellatten über die Aussenwand geführt und mit einem Ortbrett abgeschlossen. [Abb. 9]

Verweis

Angaben zu Reparatur/Verstärkung Rafen/Sparren unter 5. Dachkonstruktion

Verweis

Angaben zu Wärmedämmung zwischen und über den Rafen/Sparren unter 17. Dämmungen

[Abb.9]

Ziegellattung

Ortverlängerung

Zur Überdeckung einer zukünftigen Aussendämmung muss bei einer Neueindeckung das Ortdetail angepasst werden. Dazu werden Schindel- und Dachlattung ergänzt oder verlängert und mit einem neuen Ortbrett abgeschlossen. Für Ortbretter wir massives Fichtenholz verwendet. Verleimte Dreischichtplatten halten der Witterung zu wenig lange stand.

[Abb. 10]

Ort mit eingesägtem Ortbrett

[Abb. 11]

Ort verlängert

Gestaltung
Pfetten

Die auskragenden Pfetten des Vordachs sind auf ihrer Stirnseite mit Pfettenbrettchen gegen eindringendes Wasser geschützt. Diese sind als Sekundär- oder Verschleissteil konzipiert. Bei starker Verwitterung können sie ersetzt werden. Die Pfettenbrettchen werden an der Unterseite mit Schrägschnitten, Schwalbenschwanz- oder geschwungenen Barockverzierungen versehen. Damit wird neben einer dekorativen Wirkung die Holzoberfläche vergrössert und so das Austrocknen des Stirnholzes beschleunigt. [Abb. 12]

[Abb.12]

Pfettenbrettchen mit Hohlmesserschnitt, Spiessenrüti 498, Teufen

Ort

Der seitliche Dachrand wird als Ort bezeichnet. Er bildet den Übergang von der Fassade zur Dachhaut. Wegen der ausgesetzten Position werden hohe Anforderungen an die Sturmfestigkeit gestellt. Abhängig von den klimatischen Verhältnissen haben sich gebietsspezifische typische Konstruktionsformen herausgebildet.

Auch bei minimalen Vordachmassen von 10-20 cm müssen Sicherungsmassnahmen getroffen werden. In den letzten zweihundert Jahren haben Sturmklammern und Ortrinnen diese Funktion übernommen.

Ortbrett

Die Konstruktionsstärke historischer Dächer beträgt wegen der fein bemessenen Sparren und Konterlattung etwa 20 cm. Ein Ortbrett mit diesen Massen ist einwandfrei zu konstruieren. [Abb. 13] Bei grösseren Konstruktionsstärken muss das Ortbrett wegen Stabilität und feiner Erscheinung zweiteilig überschoben ausgebildet werden. [Abb. 14]

[Abb.13]

Ortbrett 2-teilig überschoben, Saumhalde 13, Herisau

[Abb.14]

Ortbrett profiliert, Dorf 2, Stein

Dachuntersicht

Bis ins 17.Jahrhundert werden die Vordächer über der Hauptfassade mit dicht aneinander geschobenen Rafen/Sparren auf auskragenden Pfetten konstruiert. [Abb. 15]

Ab dem 17. Jahrhundert werden holzsparende Bauweisen mit Flugsparren und einfachen Verschalungen quer oder längs zur Sparrenrichtung montiert. Später werden Dachuntersichten wie die Hauptfassaden mit gestemmten Täfern verkleidet. [Abb. 16]

Eine repräsentativere Form der Vordachverkleidung ist die Hohlkehle. Sie ist windtechnisch günstig geformt und bildet einen weichen Übergang von der Fassade zum Dach. [Abb. 17]

[Abb.15]

Untersicht längs verschalt, Robach 363, Rehetobel

[Abb.16]

Untersicht vertäfert, Niederstein 113, Stein

[Abb.17]

Hohlkehle, Gremmstrasse 12, Teufen

Schleppgaube

Dachräume werden über Schleppgauben belichtet und gelüftet. Schleppgauben sind aufgeklappte Dachflächen. Sie fügen sich gut ins Gesamtbild ein. [Abb. 18]

[Abb.18]

Schleppgaube, Schopfacker 1, Trogen

Giebellukarne

Dachzimmer werden über Giebellukarnen belichtet. Sie ermöglichen eine grössere mittlere Raumhöhe als Schleppgauben. [Abb. 19]

[Abb.19]

Giebellukarne, Spiessenrüti 498, Teufen

Dachflächenfenster

Für die Belichtung und Belüftung von Sanitärräumen können kleine Dachflächenfenster angebracht werden. Sie werden zwischen zwei Rafen/Sparren montiert. Anstelle eines grösseren Dachflächenfensters mit notwendiger Auswechslung der Rafen/Sparren können zwei kleine, neben- oder übereinanderliegende Dachflächenfenster eingebaut werden. [Abb. 20]

Hinweis

Es gibt Fälle, die den Einbau einer grossen Zahl von Dachflächenfenstern rechtfertigen. Die Fenster sollten aus Dachebene gekippt oder angehoben werden. Sie erscheinen so als kleine Dachaufbauten und lassen die Dachfläche ruhiger erscheinen

[Abb.20]

Dachflächenfenster, Kasernensrasse 45, Herisau

Sturmsicherung

Bei Ziegeldächern werden eingesägte Ortbretter und Ortrinnen verwendet.[Abb. 21] [Abb. 22]

[Abb.21]

Ortbrett eingesägt, Gossauerstrasse 1, Herisau

[Abb.22]

Ortrinne, Kreuzstrasse 28, Herisau

Sturmklammern

Sturmklammern sind mit nagelartigen Spitzen versehen und werden in den oberen Teil des Ortbrettes eingeschlagen. Wasser kann wegen der ungeschützten Lage in die Nagellöcher eindringen. Das führt zu Fäulnis des Holzes und zu losen Sturmklammern. [Abb. 23]

Heute werden die Randziegel verdeckt mit der Unterkonstruktion verschraubt und gewähren die geforderte Sturmfestigkeit. Die Bohrlöcher und Schrauben sind durch die überlagert/geschuppt montierten Ziegel vor eindringendem Wasser geschützt.

[Abb.23]

Sturmklammer, Bergstrasse 19, Herisau

Ortgangziegel

Seit den 2000er Jahren kommen bei Alt- und Neubauten auch im Appenzellerland winkelförmige Ortgangziegel zum Einsatz. Die Lösung ist kostengünstig und technisch tauglich. Ortgangziegel verändern die feine Erscheinung der historischen Dachdetails und wirken deshalb unpassend. [Abb. 24] [Abb. 25]

Hinweis

Verzierte Ortgangziegel sind eine traditionelle Dachrandausbildung z.B. im französischen Jura und ein Merkmal der dortigen Bauweise.

[Abb.24]

Ortgangziegel historisch, Arbois franz. Jura (unpassend)

[Abb.25]

Ortgangziegel neu, Rechberg 2288, Herisau (unpassend)

Biberschwanzziegel

Die ersten Ziegeldächer im Appenzellerland werden mit Biberschwanzziegeln eingedeckt. Sie verfügen über in der Längsrichtung verlaufende flachrunde Rillen, um den Abfluss des Wassers zu erleichtern. Mit leicht gespreizten Fingern der ganzen Hand streicht der Ziegelbauer über den noch weichen Tonziegel. Das charakteristische Muster wird deshalb Finger- oder Handstrich genannt. [Abb. 26] [Abb. 27]

[Abb.26]

Biberschwanzziegel hist., Gossauerstrasse 1, Herisau

[Abb.27]

Biberschwanzziegel

Einfach- und Doppeldeckung

Biberschwanzdächer können einfach und doppelt eingedeckt werden. Einfach gedeckte Dächer sind leicht (45kg/m2). Zwischen den einzelnen Ziegeln muss eine Schindel eingelegt werden, um die Eindeckung dicht zu machen. Die Schindeln müssen ca. alle 20 Jahre ersetzt werden. [Abb. 28] [Abb. 29]

[Abb.28]

Einfachdeckung, Egg 59, Schwellbrunn

[Abb.29]

Doppeldeckung, Krombach 5, Herisau

Schindeleinlage

Doppeldeckungen sind ohne Schindeleinlage dicht und wegen des höheren Gewichts (70 kg/m2) sicherer bei starken Windstössen. Fein dimensionierte historische Dachkonstruktionen müssen allenfalls verstärkt werden. [Abb. 30]

Biberschwanzziegel werden heute auch mit wasserableitendem Falz angeboten. Beim Begehen des Daches für Kontrollen und Reparaturen besteht wegen der feinen Ausführung Bruchgefahr.

[Abb.30]

Biberschwanzziegel mit Falz, Dorfhalde 139, Lutzenberg

Herz- und Muldenfalzziegel

Biberschwanzziegel werden ab Mitte des 19. Jahrhundert vom Herzfalzziegel und Muldenfalzziegel abgelöst (45 kg/m2). [Abb. 31] [Abb. 32] Sie verfügen oben und seitlich über einen wasserableitenden Falz. Die Erscheinung in der Fläche ist ähnlich fein gegliedert wie beim Biberschwanz. Die Rauten der Herzfalzziegel wirken als Ornament und bremsen das Abrutschen von Schnee. [Abb. 33] [Abb. 34]

[Abb.31]

Herzfalzziegel, Moos 692, Walzenhausen

[Abb.32]

Herzfalzziegel

[Abb.33]

Muldenfalzziegel, Berg 24, Trogen

[Abb.34]

Muldenfalzziegel

Flach- und Pfannenziegel

Auf Häusern des 20. Jahrhunderts werden meist Flachziegel und Pfannenziegel verlegt (45 kg m2). Sie verfügen nicht über zusätzliche vertikale Profilierungen und wirken flächiger als ihre Vorgänger. Auf historischen Häusern wirken sie oft unpassend. [Abb. 35] [Abb. 36]

[Abb.35]

Flachziegel, Kohlhalden 11, Speicher

[Abb.36]

Flachfalzziegel

Ziegelfarbe

Ziegel aus unterschiedlichen Materialschichten der Lehmgrube haben nach dem Brennen unterschiedliche Farbtönungen. Ende des 20. Jahrhunderts werden industriell hergestellte Ziegel mit einer Farbschicht, einer sogenannten Engobe versehen, um über Jahre eine einheitliche Farbe zu garantieren. Die meisten heutigen Ziegel weisen eine dunkelbraune Färbung auf, welche der natürlichen Verwitterung nachempfunden ist. [Abb. 37] [Abb. 38]

[Abb.37]

Ziegel rot, Bergweg 5, Trogen

[Abb.38]

Ziegel braun, Cilanderstrasse 14, Herisau

Ziegelmischung

Dächer müssen regelmässig kontrolliert werden. Schadhafte Ziegel werden ersetzt. [Abb. 39] Farbunterschiede zwischen verwitterten und neuen Ziegeln gehören zum historischen Ziegeldach. Bei umfangreichen Reparaturen werden alte und neue Ziegel gemischt. Stark vermooste Dächer werden mit Bürste oder Besen gereinigt. [Abb. 40] [Abb. 41]

[Abb.39]

Ziegeldach mit Reparaturstellen, Ilgenstrasse 9, Speicher

[Abb.40]

Dach mit alten und neuen Ziegeln, Krombach 5, Herisau

[Abb.41]

Neueindeckung mit gemischten Ziegeln, Hinterdorf 1, Trogen

Antikziegel

Neue Ziegel mit künstlicher Antikfärbung wirken unpassend. Eine natürliche Verfärbung durch Bildung von Patina passt zum historischen Gebäude.[Abb. 42]

[Abb.42]

Eindeckung mit «Antikziegeln», Landsgemeindeplatz 5a, Trogen

Patina

Kupferblech auf roten Ziegeldächern führt zur Bildung heller Flecken. Wasser, das über Kupferblech rinnt, ist mit Kupferbestandteilen angereichert und verhindert die Bildung von natürlicher Patina durch Algen und Flechten. [Abb. 43]

[Abb.43]

Ziegeldach mit hellen Stellen unter Kupfer Einfassungen

[Abb.44]

Ziegeldach mit roten Ziegeln und Patina, Schwänberg 2690, Herisau

Faserzementplatten

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts werden grossformatige Wellplatten und kleinformatige ebene Platten aus Faserzement hergestellt. Sie werden als leichte und kostengünstige Lösung auch im Appenzellerland oft angewendet. Sichtbar geschraubte Wellplatten auf Stall- und Scheunendächern sind weit verbreitet. [Abb. 45]

Faserzement Schieferplatten werden mit Drahthaken befestigt. Die Montage ist aufwändiger und kommt im Appenzellerland seltener vor.

Bis 1990 wird an Stelle der heute verwendeten Kunststoff-Fasern gesundheitsschädliches Asbest verwendet. Bei Reparatur- und Renovationsarbeiten an asbesthaltigen Faserzementplatten müssen besondere Schutzmassnahmen getroffen werden.

Naturgraue Platten begünstigen die sichtbare Alterung und die Bildung von Patina durch Flechten und Moose. Eingefärbte Platten in dunklen Grau- und Brauntönen wirken flächig und heben sich von den feinen Details der Fassadengestaltung ab.[Abb. 46]

[Abb.45]

Wellplatten geschraubt, Rohren 2295, Herisau

[Abb.46]

Schieferplatten mit Haken, Hinterdorf 2, Trogen

Blechdach

Seit Ende des 19. Jahrhunderts werden auf Bauernhäusern Dächer auch mit Blech eingedeckt. Vereinzelt sind noch Eindeckungen aus aufgeschnittenen gebrauchten Blechfässern anzutreffen.

Heutige Blecheindeckungen werden in Kupfer-, Kupfertitanzink oder Edel- oder Chromstahlblech ausgeführt. Diese Bleche sind qualitativ hochwertig. Farbe und Verarbeitbarkeit sind die wichtigsten Kriterien für die richtige Materialwahl. Edelstahlbleche können störende Lichtreflektionen verursachen.

Die Blechbahnen werden mit Stehfälzen verbunden. Blechdächer sind sehr leicht. Wegen der Luftdichtigkeit müssen ein Entlüftungsfirst oder Entlüftungsöffnungen eingeplant werden. [Abb. 47]

Verweis

Angaben zu Luftein/-austritt, (Abschlussgitter), Lüftungsfirst unter 17. Dämmung

[Abb.47]

Blechdach mit Stehfälzen, Hauptstrasse 87, Teufen

Literaturhinweise

Hermann, Isabell. Die Bauernhäuser beider Appenzell. Herisau: AppenzellerVerlag, 2004.

Stoller, Peter. Geneigte Dächer; Fachkunde für Dachdecker. Treiten: Grafitex Verlag, 2011.

Waller, Henri. Das Dachdeckerhandwerk in der Schweiz. Uzwil: Gebäudehülle Schweiz, 2017 (1931).

Abbildungsverzeichnis
[Abb. 01]

Windkräfte Multiphysikmodellierung, 2018. 
Zürcher Hochschule für angewante Wissenschaften ZHAW, Dr. Gernod Boiger

[Abb. 02]

Luftbild Rehetobel, 1987.
ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Photoramacolor AG

[Abb. 3-4,7-11,27,32,34,36]

Diverse Titel, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häuser

[Abb. 5-6,12-23,28-31,33,35,37-38,40-46]

Diverse Titel, 2023.
Bildarchiv Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden