E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häusern
E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häusern
09 Spenglerarbeiten
09 Spenglerarbeiten
Überblick
Geschichte
Konstruktion
Gestaltung
Überblick
Blech

Seit dem 19. Jahrhundert werden ganze Dächer sowie Verbindungen von Bauteilen an den Gebäudehüllen mit Blech ausgeführt. Blecheinfassungen von Kamindurchführungen oder Anschlüsse von Dachflächen an Fassaden sind sehr dicht.

 
Blitzableiter

Mit der Erfindung des Blitzableiters um 1750 entstehen für das Spenglerhandwerk neue Aufgabenbereiche. Ein Blitzableiter schützt nicht nur vor Feuer. Kunstvoll gestaltet wird er auch zum Dachschmuck. [Abb. 1]

In den Anfangsjahren ist die moderne Schutzmassnahme umstritten. Kritiker behaupten, dass Blitzableiter die natürlichen Spannungsverhältnisse der Atmosphäre beeinflussen und Regen anziehen. Sie machen die Erfindung verantwortlich für auffallend schlechte Ernten infolge von regenreichem Wetter zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Theologisch motiviert ist der Vorwurf, sich mit Blitzableitern Gottes strafender Gerechtigkeit zu entziehen.

[Abb.1]

unterschiedliche Blitzableiter, Speicher

Geschichte
Blechdach

Für historische Spenglerarbeiten wird Bleiblech oder verzinktes Eisenblech verwendet. In der Regel wird das Eisenblech zusätzlich mit einer Rostschutzgrundierung und einem Deckanstrich versehen. [Abb. 2]

Das Blechdach erhält im 19. Jahrhundert durch den Anbau von Sticklokalen und Remisen mit Flachdach oder Dächern mit schwacher Neigung einen Aufschwung. Auf den flachen Dächern werden Wäschehängen installiert. [Abb. 3]

[Abb.2]

Blechdach N-Seite Rechberg 69, Wald

[Abb.3]

Blechdach Dorf 14, Teufen

Blechschindeln

Ursprünglich mit Holzschindeln eingedeckte Kirchtürme und Turmhauben werden mit Zink- oder Kupferschindeln sowie Kupferblech verkleidet. [Abb. 4] [Abb. 5]

[Abb.4]

Kirchturm Ref. Kirche, Teufen

[Abb.5]

Türmlihaus Schopfacker 16, Trogen

Neue Formate

Bei neuen Bauaufgaben kann ein Dach mit Blechschindeln zu einer feinen Erscheinung und guten Integration ins Dorfbild beitragen.[Abb. 6]

Heute stehen korrosionsbeständige Bleche und Bauteile aus Kupfer, Kupfer-Titan-Zink und Chromstahl zur Auswahl.

[Abb.6]

Nebengebäude Dorfkirche, Herisauv

Konstruktion
Fälze

Grössere und unregelmässige Blechflächen werden in Bahnen aufgeteilt und mit Fälzen verbunden. Fälze stabilisieren die Bleche und verhindern diese bei Sonneneinstrahlung und Abkühlung das Bauchen und Reissen. Es wird zwischen einfachen- und doppelten Fälzen in stehender und liegender Ausführung unterschieden. Sie teilen die Fläche auf und passen sich so der Geometrie historischer Fassadengestaltungen an.[Abb. 7] [Abb. 8]

Die Bleche müssen auf eine gleitfähige Unterlage montiert werden. So werden Abnützungserscheinung durch Reibung vermieden.[Abb. 9]

[Abb.7]

Blechfälze

01

doppelt stehender Falz

02

einfach stehender Falz

03

doppelt liegender Falz

04

einfach liegender Falz

[Abb.8]

stehender Falz, Egg 81, Schwellbrun

[Abb.9]

liegender Falz, Hauptstrasse 25, Speicher

Ortrinne

Ortrinnen bilden den Übergang von der Dachfläche zum Ortbrett. Sie tragen zur Sturmsicherung bei, weil sie die Ziegelkante vor direkter Windbelastung schützen. Bei nicht rechtwinkligen Dachformen können Ziegel nach Bedarf angeschnitten werden. Die Ortrinne verdeckt die Schnittflächen. [Abb. 10]

[Abb.10]

Ortrinne mit Abkantung über Ortbrett-Oberkante, Hinterdorf 6, Trogen

Dachrinne

Dachrinnen müssen zur Sicherstellung des Wasserabflusses mit Gefälle montiert werden. Bei grossen Dächern kann zur Vermeidung grosser trapezförmiger Traufbleche das Gefälle verkleinert und der Rinnenquerschnitt vergrössert werden. So bleibt der Wasserabfluss gewährleistet. [Abb. 11]

[Abb.11]

Traufblech und Rinne mit Gefälle, Wäldlerstrasse 2, Trogen

Wandanschluss

Ein Anschlussblech wird auch Brustblech genannt. Der Anschluss an eine Wand oder einen Dachaufbau muss so hoch ausgeführt werden, dass liegender Schnee nicht zu lange mit der darüber liegenden Verkleidung in Berührung kommt. Bei hinterlüfteten Konstruktionen muss auch bei Schnee der Lufteintritt gewährleistet sein.[Abb. 12]

Wandanschlüsse in Längsrichtung werden bei Biberschwanzziegeln mit so genannten Noquettes, Nockenblechen oder Steckblechen ausgeführt. Sie gewährleisten bei Ziegeln ohne Falz eine dichte Verbindung zwischen Ziegelreihen und Brustblech.

[Abb.12]

Anschluss mit Hinterlüftung, Berg 18, Trogen

Sims

Seit Ende des 19. Jahrhunderts werden geschindelte Abwürfe über Fensteröffnungen und Sockelmauern durch Holzsimse mit Blechverkleidung ersetzt. Die Bleche sind an der Vorderkante mit einem Wulst oder einer Abkantung versehen. Diese stabilisieren die Blechbahn und dienen als Tropfkante. Holzsims und Blechwulst/Abkantung bilden zusammen eine Profilierung, die ähnlich fein erscheint wie Holzleisten mit Hohlkehle, Viertelstab oder Karnies-Profil. [Abb. 13] [Abb. 14]

[Abb.13]

Sims mit Wulst, Rosenegg 5, Hundwil

[Abb.14]

Fensterdächlein mit Blech abgekantet, Oberdorfstrasse 42, Herisau

Gestaltung
Oberflächen und Erscheinung

Metallbauteile und Bleche sollen nicht glänzend ausgeführt werden. Damit wird eine gute Einfügung ins Gesamtbild erreicht.

Gaube

Die Gaube ist ein Dachaufbau zur Belichtung und Belüftung eines Dachraums. Es wird zwischen Giebel- und Schleppgauben unterschieden.[Abb. 15] [Abb. 16]

[Abb.15]

Giebelgaube, Cilanderstrasse 16, Herisau

[Abb.16]

Schleppgaube, Landsgemeindeplatz 6, Trogen

Verkleidung

Bei kleinen Gauben können die Dachfläche und die Seiten mit Blech verkleidet werden. Bei grösseren Gauben wird für die Bedachung dieselbe Eindeckung wie beim Hauptdach verwendet. Die Seitenflächen werden mit einem Schindelschirm oder einer Schalung verkleidet.[Abb. 17]

[Abb.17]

Gaube mit Schindelschirm, Cilanderstrasse 16, Herisau

Brüstung

Das Brustblech verbindet bei Dachgauben die Fensterbrüstung und die Seitenflächen mit der Dachhaut. Bei Gauben auf Ziegeldächern soll zwischen Dachrinne und Brüstung mindestens eine Ziegelreihe durchgeführt werden. Damit wird eine gute optische Einfügung der Gaube in die Dachfläche erreicht. [Abb. 18]

[Abb.18]

Gaube mit Brustblech und durchgehender Ziegelreihe, Kirchplatz 6, Heiden

Ochsenauge

Das Ochsenauge ist die kleinste Version einer Gaube. Es besteht aus einem Karnies- oder Rundbogen. Ochsenaugen stülpen sich wie Schleppgauben aus dem Hauptdach heraus oder sind ganz mit Blech eingefasst. [Abb. 19] [Abb. 20]

[Abb.19]

Ochsenauge in Blech, Kirchplatz 8, Heiden

[Abb.20]

Ochsenauge mit Ziegeleindeckung, Krombach 8, Herisau

Kamin

Historische Kamine sind gemauert und verputzt. Die Durchdringung der Dachhaut wird mit einem Brustblech abgedichtet. [Abb. 21]

Seit einigen Jahren werden Kamine oft ganz mit Blech verkleidet. Damit sollen Kosten für Verputzarbeiten und die Gefahr von undichten Anschlüssen vermieden werden. Die Blechverkleidung kann dazu führen, dass wegen der grossen Temperaturunterschiede Kondenswasser zwischen gemauertem Kaminzug und der Blechverkleidung entsteht. Weil die Blechverkleidung dies verdeckt, werden Schäden meistens zu spät festgestellt. Die Folge sind hohe Reparaturkosten. Mit Blech verkleidetet Kamine wirken auf historischen Dächern oft grob und unpassend. [Abb. 22]

[Abb.21]

Kamin mit Brustblech, Herbrigsteig 3, Speicher

[Abb.22]

Kamin mit Blechverkleidung, Zwislenstrasse 40, Gais (unpassend)

Kaminhut

Neue Kamine von Gas- oder Holzheizungen können auch als Rundkamine oder Kamine mit quadratischen Querschnitten ausgeführt und mit Blech verkleidet werden. Um sie nicht zu technisch wie Auspuffrohre von Motorfahrzeugen, aussehen zu lassen, ist es angemessen, einen oberen Abschluss in Form eines Dächleins auszubilden. [Abb. 23] [Abb. 24]

Hinweis

Ist ein Dächlein für einen ungehinderten Abzug der Rauchgase hinderlich, kann auch ein Blechring montiert werden.

[Abb.23]

Kamin mit Blechverkleidung gefälzt und Dächlein, Holderenstrasse 9, Rehetobel

[Abb.24]

Rundkamin mit Ringen

Stallentlüftung

Stallentlüftungen führen feuchte und warme Luft aus Stall und Heustock ab. Sie ähneln in ihrer Erscheinung Kaminen, sind aber als leichte Holz- oder Blechkonstruktionen gebaut. Giebel- oder Tonnendächlein schützen die Öffnung vor Regen. Die Dachdurchdringung der Entlüftung wird wie beim Kamin mit Brustblech ausgeführt. [Abb. 25]

[Abb.25]

Stallentlüftung mit Tonnendächlein, Möser, Gais

Ortbrett-Verkleidung

Seit Ende des 20. Jahrhunderts werden bei Neu- und Altbauten Ortbretter mit Blech verkleidet. Damit sollen die Unterhaltsarbeiten am Holz und am Farbanstrich vermieden werden. Die Blechverkleidung kann dazu führen, dass wegen der grossen Temperaturunterschiede Kondenswasser zwischen Ortbrett und Blechverkleidung entsteht. Weil die Blechverkleidung dies verdeckt, werden Schäden meistens zu spät festgestellt. Die Folge sind hohe Reparaturkosten. [Abb. 26] [Abb. 27]

Hinweis

Mit Blech verkleidetet Ortbretter wirken auf historischen Dächern oft grob und unpassend. Bei Dachkonstruktionen mit Ortrinnen kann das Ortbrett in zwei Teile aufgeteilt und das obere Brett mit Blech verkleidet werden, wenn die Konstruktionshöhe nicht höher als 12 cm beträgt.

[Abb.26]

Ortrinne und Ortbrett 12 cm mit Blechverkleidung, Hinterdorf 6, Trogen

[Abb.27]

vollständig eingepacktes Ortbrett, Wienacht 7, Lutzenberg, (unpassend)

Dunstrohr

Entlüftungsrohre von Sanitärräumen und Abwasserleitungen erscheinen auf dem Dach wie kleine Kamine. Für eine gute Eingliederung sollten sie mit Blech verkleidet sein. Kunststoffrohre wirken unpassend.

Schneefang

An Bauernhäusern werden bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts Schneefänge in Form von Metallhaken mit eingehängten jungen Holzstämmen montiert. An Dorfhäusern und Fabrikantenhäusern kommen Konstruktionen mit Schneefanggittern oder Konsolen mit einem bis zwei Rohren zum Einsatz. [Abb. 28] [Abb. 29] [Abb. 30]

[Abb.28]

Schneefang mit Holzstämmen, Unterdorf 16, Schönengrund

[Abb.29]

Schneefanggitter, Landsgemeindeplatz 5/7, Trogen

[Abb.30]

Schneefang mit Rohren, Wäldlerstrasse 2, Trogen

Schneestopper

Bei steilen und grossen Dächern bremsen in die Ziegel eingehängte Metallstopper aus abgekanteten Blechstreifen die Schneemassen zusätzlich. [Abb. 31]

Es können auch Herzfalzziegel verlegt werden. Dort übernehmen in der Ziegelmitte angebrachte erhabene Rauten das Abrutschen von Schneemassen. [Abb. 32]

[Abb.31]

Ziegeldach mit Gittern und Metallstoppern, Schützenstrasse 1, Herisau

[Abb.32]

Herzfalzziegel, Nasen 16, Rehetobel

Blitzableiter
Hinweis

Oft werden Blitzableiter neben den technisch notwendigen Stangen und Erdungskabeln mit zusätzlichen Zierelementen wie Messingspitzen bestückt. Sie sind Gebäudeschmuck und oberster Abschluss des Daches.

Blitzableiter sind für den Schutz von Häusern nicht mehr notwendig. Heute werden die am Haus vorkommenden Metallteile wie Dachrinnen und Ablaufrohre sowie Blechdachteile mit Kupferdrähten verbunden und geerdet.

Als Dachschmuck und Hinweis auf die Zeiten ohne Blitzschutz gehören sie aber wie andere typische Bauelemente zu historischen Häusern.

Kugel- Windfahne

Auf öffentlichen Bauten und Fabrikantenhäusern zieren auch Kugeln und Windfahnen das Dach. Sie werden mit den Blitzableitern kombiniert und sind dekorativer Abschluss und Verfeinerung des Firstes. [Abb. 33] [Abb. 34]

[Abb.33]

Blitzschutz, Dorf 10, Speicher

[Abb.34]

Windfahne, Dorfplatz 6, Gais

Dachverzierung

Dachverzierungen können auch dort eingesetzt werden, wo eine Liftüberfahrt die Dachfläche durchdringt und ein mehr als ein den technischen Anforderungen genügender Abschluss gefunden werden muss. [Abb. 35]

[Abb.35]

Kugel, Ebnetstrasse 1, Herisau

Literaturhinweise

Hermann, Isabell. Die Bauernhäuser beider Appenzell. Herisau: Appenzeller Verlag, 2004.

Stoller, Peter. Geneigte Dächer; Fachkunde für Dachdecker. Treiten: Grafitex Verlag, 2011.

Waller, Henri. Das Dachdeckerhandwerk in der Schweiz. Uzwil : Gebäudehülle Schweiz, 2017 (1931).

Abbildungsverzeichnis
[Abb. 1-5,8-23,25-35]

Diverse Titel, 2023.
Bildarchiv Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden

[Abb. 6]

Nebengebäude Dorfkirche Herisau, 2020.
Archiv Keller Hubacher Architekten

[Abb. 7,24]

Diverse Titel, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häuser