E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häusern
E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häusern
09 Schindelfassaden
09 Schindelfassaden
Überblick
Geschichte
Konstruktion
Gestaltung
Überblick
Ausdruck

Der Ausdruck eines Gebäudes zeigt sich in Fassade und Lage. Sie vermitteln Bauweise, Nutzung und prägen Ästhetik sowie Funktion. Materialien, Farben und Details definieren seine Identität und Einbindung in die Umgebung.

 
Ästhetik

Die Bauzeit ist an Stilmerkmalen wie Haustyp und Konstruktionsdetails erkennbar. Elemente wie Fenster, Dächer und Verzierungen geben Aufschluss über den historischen Kontext und die Bautechniken der Epoche.[Abb. 1]

[Abb.1]

Haustypologien unterschiedlicher Epochen, Speicher, 2023.

Grundsatz

Eine Scheunenfassade ist in der Regel einfach gebaut. Die Fassaden eines Fabrikanten- oder Gemeindehauses sind oft aufwändiger gestaltet. Beide Fassadentypen erzählen von der tatsächlichen oder angestrebten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung des Bauwerks und seiner Bauherrschaft.[Abb. 2][Abb. 3]

Eine Fassade muss der Witterung standhalten. Deshalb sind die meisten Wandkonstruktionen von Holzbauten, seltener auch von Massivbauten, mit einer Verkleidung versehen. Wortverbindungen wie «Schindelschirm» oder «Leistenschirm» benennen die Schutzaufgabe einer Verkleidung.

Bei starker Abnutzung kann die Verkleidung repariert oder ersetzt werden. Dabei wird der bisherige Ausdruck beibehalten oder kann neuen bautechnischen Erkenntnissen oder veränderten Stilen angepasst werden.

Auch im Appenzellerland wird das Wissen über technische und formale Eigenschaften von Baudetails in den Handwerksbetrieben von Generation zu Generation weitergegeben. Dabei sind ganz besonders bei den Fassadenverkleidungen Detaillösungen entstanden, die sich teilweise auffällig voneinander unterscheiden.

Hinweis

Die dargestellten Beispiele umfassen nicht alle heute praktizierten Varianten. Beschreibungen der historischen Details und Handlungsempfehlungen für Renovation und Umbau sind grundsätzlicher Art. Für Bauten mit Schutzstatus können weitere Ausführungsdetails erforderlich sein.

Kontakt

Auskunft geben die Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden: denkmalpflege@ar.ch und die Denkmalpflege Appenzell Innerrhoden: regula.graf@ed.ai.ch

[Abb.2]

Ostfassade Stall, Neppenegg 21, Speicher, 2024.

[Abb.3]

Fabrikantenhaus, Alte Landstrasse 82, Wolfhalden, 2023.

Geschichte
Ursprünge

Die ältesten Appenzellerhäuser sind unverkleidete Strickbauten. Eine Fassadengliederung entsteht hauptsächlich durch die an der Fassade sichtbaren Verbindungen von Innen- und Aussenwänden, den so genannten Strickköpfen sowie durch die Anordnung von Fenstern und Türen. Ab dem 17. Jahrhundert verfeinern Fassadenvorsprünge mit Rillenfriesen über den Fensterstürzen die Hauptfassade.[Abb. 4]

Hinweis

In den Ausführungsdetails verbinden sich fachgerechte Konstruktionen mit dem Gestaltungswillen und Können der Zimmerleute.

Zuerst wurden Schindeln zum Eindecken von Dächern verwendet. Die Montage der grossen Brettschindeln erfolgte mit Holznägeln. Holzschindeldächer sind im Appenzellerland kaum mehr anzutreffen.[Abb. 5]

Die ersten Fassadenverkleidungen der Seiten- und Rückfassaden von Strickbauten sind Schirme aus Brettschindeln von ca. 60 cm Länge, 12 cm Breite und 1.5 cm Stärke. Ab 1650 werden mit dem Angebot von geschmiedeten Eisennägeln neue Konstruktions- und Gestaltungsmöglichkeiten entwickelt. Im 18. Jahrhundert führt der grosse Bedarf an Bau- und Brennholz zu einer Holznot. In der Folge werden die Holzstärken bewährten Konstruktionen verfeinert. Das führt besonders bei den massiv kleiner gewordenen Schindelformaten zu neuen Detaillösungen mit neuen Gestaltungsmöglichkeiten.

An traditionellen Appenzellerhäusern werden Holzschindeln vorwiegend an Seiten- und Rückfassaden angeschlagen. Dorfhäuser aus dem 19. Jahrhundert und öffentliche Bauten wie Schul- und Gemeindehäuser werden auch rundum geschindelt.[Abb. 6][Abb. 7]

[Abb.4]

Rillenfries, Schopfacker 11, Trogen, 2023.

[Abb.5]

Historische Brettschindeln, 2023.

[Abb.6]

Geschindelte Rückfassaden, Zwislenstrasse 1, Gais, 2024.

[Abb.7]

Waisenhaus, Holderschwendi 16, Speicher, 2023.

Entwicklung Bautechnik

Seit mehr als 400 Jahren werden Konstruktionsmethoden und Baustile weiterentwickelt. Die Modernisierungsschritte sind von der Zweckmässigkeit und Erscheinung der Ausführungsdetails, das heisst von technischer Entwicklung und dem Wandel der Baustile geprägt.[Abb. 8]

Hinweis

Erhoffte Komfortsteigerungen durch neue Lösungen können aber auch zu unerwarteten Schwachstellen führen. Oft werden Konstruktionsweisen aus anderen Regionen übernommen. Die Kombination von Neuerungen mit bestehenden lokalen Formen erfordert Anpassungen, die vor Ort erst entwickelt und erprobt werden müssen.

[Abb.8]

Gipshohlkehle unter Schindelabwurf mit Fäulnis, Alte Landstrasse 82, Wolfhalden, 2024.

Konstruktion
Grundsatz

Ein Schindelschirm ist der Schuppung eines Tannzapfens nachempfunden. Durch die Überlappung der einzelnen Schindeln entsteht ein mehrlagiger Schirm, der Wind, Regenwasser und Schnee gleichermassen abweist.

Fassadenverkleidungen sind so genannte Sekundärbauteile und nicht Teil der Tragkonstruktion. Ihre Aufgabe ist der Schutz der Wände vor Witterungseinflüssen wie Wind, Regen, Sonne und Schnee.[Abb. 9]

[Abb.9]

Fichtenschindel gespalten, 2024.

Wind

Ein Schindelschirm ist der Schuppung eines Tannzapfens nachempfunden. Durch die Überlappung der einzelnen Schindeln entsteht ein mehrlagiger Schirm, der Wind, Regenwasser und Schnee gleichermassen abweist.

Fassadenverkleidungen sind so genannte Sekundärbauteile und nicht Teil der Tragkonstruktion. Ihre Aufgabe ist der Schutz der Wände vor Witterungseinflüssen wie Wind, Regen, Sonne und Schnee.[Abb. 10]

[Abb.10]

Windkräfte Multiphysikmodellierung an Haus mit Vordach, 2018.

Konstruktiver Holzschutz

Das vom Wind als Schlagregen an die Fassade gewehte Regenwasser muss abfliessen oder trocknen können.

Der Volksmund sagt, dass es an einer Fassade aufwärts regne.

Hinweis

Alle Anstrengungen, Wasser abfliessen, abtropfen oder verdunsten zu lassen werden als konstruktiver Holzschutz bezeichnet. Richtig verbaut kann Holz rasch austrocknen und ist vor Fäulnis geschützt.

Regenwasser darf nicht auf den Bauteilen stehen bleiben. Alle horizontalen Bauteile wie Fenstersimsen und Sturzbretter sind mit Gefälle auszuführen, um das Wasser abfliessen zu lassen. Zusätzlich sind so genannte Tropfkanten oder Wassernasen auszubilden. Dadurch wird das Anziehen des Wassers zurück an die Fassade verhindert.[Abb. 11]

[Abb.11]

Schindelfassade mit Abwürfen und Simsen, Lachen 749, Walzenhausen, 2023.

Profilierung

Die horizontalen Bauteile wie Simse und Abwürfe sind als profilierte Leisten Teil der Konstruktion und prägendes Gestaltungselement. Die Profile werden aus einem Stück gehobelt oder aus einzelnen Teilen zu Elementen mit Vor- und Rücksprüngen zusammengefügt. Besonders oft werden schräg gesäumte Bretter, Hohlkehlen oder Viertelstäbe, seltener die S-förmigen Karnies Profile verwendet.[Abb. 12][Abb. 13]

[Abb.12]

Profile an Simsen, Kasernenstrasse 38, Herisau, 2022.

[Abb.13]

Rechteckprofile mit Viertelstab und Hohlkehle, Hechtgasse 22, Wolfhalden, 2023.

Riftholz

Schindeln werden aus Rift- oder Halbriftholz hergestellt. Das heisst, dass sich die Jahrringe im Schindelquerschnitt von der Senkrechten bis zu einem Winkel von etwa 45° zeigen. In der Aufsicht verlaufen die Jahrringe parallel zueinander. Rift- und Halbriftholz ist formstabil, es verzieht sich kaum.

Schindelgrösse

Die ursprünglich für Dacheindeckungen geeigneten Brettschindeln wurden für die Anwendung an Fassaden im Laufe der Zeit immer feiner und kleiner hergestellt. Damit können Anschlüsse und Übergänge einfacher und passgenauer ausgeführt werden. Heute werden vorwiegend Schindeln von 20 - 25 cm Länge, einer Breite von 60 - 120 mm und 4 - 8 mm Dicke verbaut.[Abb. 14]

Als Variante für grössere Bauten stehen grosse Schindeln mit einem Fasschnitt von 45°, einer Länge von etwa 40 cm, einer Breite von 7 - 7.5 cm, und einer Dicke von 6 - 12 mm zur Verfügung.[Abb. 15]

[Abb.14]

Glattschindel, Schlaufschindel, 2024.

[Abb.15]

Brettschindeln mit Fasschnitt Schulhaus Kreuzweg, Herisau, 2021.

Schindeldicke

Gespaltene Schindeln verfügen über eine Materialstärke von 4 - 8 mm. Dünnere Schindeln werden angeboten, sind aber wenig dauerhaft.

Fachweite

Bei der Überlappung der Schindelreihen wird von Fachweite gesprochen. Sie bezeichnet den an der Fassade sichtbaren Abstand zwischen den Schindelreihen und ist abhängig von der verwendeten Schindelgrösse.

Schindelüberdeckung

Mit 25 cm langen Schindeln und einer Fachweite von 8 cm ergibt sich eine 3-fache, bei einer Fachweite von 6 cm eine 4-fache Schindelüberdeckung.

Die Summe der vielen kleinen und kleinsten Lufträume zwischen und in den Schindeln sowie die Anzahl der Überdeckungen beeinflussen die Dauerhaftigkeit und den Wärmedämmwert des Schindelschirms.[Abb. 16][Abb. 17]

[Abb.16]

Fachweiten Glattschirme, 2025.

[Abb.17]

Fachweiten Schlauf- und Rundschindelschirm, 2025.

Schindelherstellung

Das häufigste Schindelmaterial im Appenzellerland ist Fichtenholz. Die Schindeln werden entlang der natürlichen Holzfasern gespalten. Die feinen Holzkanäle oder Kapillaren bleiben unverletzt und lassen Regenwasser perfekt abfliessen. Eine Schindeloberfläche ist je nach Feinheit der Holzmaserung etwas uneben. Das führt bei der Montage zu Hohlräumen, welche die Austrocknung nach Regen und die Wärmedämmwirkung begünstigen.[Abb. 18]

Hinweis

Es wird zwischen handgespaltenen, maschinengespaltenen, maschinengeschnittenen und gesägten Schindeln unterschieden.

Hinweis

Bei den kostengünstigeren geschnittenen und gesägten Schindeln werden Holzfasern und Kapillare verletzt. Widerstandsfähigkeit und Lebensdauer sind auch mit zusätzlicher Imprägnierung geringer als bei gespaltenen Schindeln.

Verschiedene Schindelformate, Formen und Holzqualitäten stehen zur Auswahl. Auch die Anschlagmethoden unterscheiden sich.

[Abb.18]

Schindelschirm mit Glatt- und Rundschindeln, Leuchen, Walzenhausen, 2023.

Schindelmacher

Der Film ist ein Porträt eines der letzten Schindelmacher im Appenzellerland. Er zeigt das Schindelhandwerk – von der Herstellung einzelner Schindeln bis hin zum Aufbau eines Schindelschirms.

[Abb.19]

Schindelmacher, 2021.

Drehwuchs

Baumstämme verfügen über eine durch den Wind und die Holzart bestimmte Drehung. Der Drehwuchs erhöht die Widerstandsfähigkeit des Stamms gegenüber grossen Windkräften.

Hinweis

Der Richtung des Drehwuchses ist bei der Montage zu berücksichtigen. Bei Benetzung durch Regen sollen sich die Schindeln flachlegen und den Schindelschirm schliessen. Bei Sonneneinstrahlung stellen sie sich wieder auf und öffnen Zwischenräume, welche die Trocknung unterstützen.

Sommertemperaturen

Die Meinungen über das Anschlagen von Schindeln bei hohen Lufttemperaturen sind geteilt. Schindeln wachsen und schwinden unter hochsommerlichen Bedingungen stärker. Das kann zu Rissen führen und reduziert Wetterschutz und Lebensdauer.

Schindelschalung

Im Appenzellerland werden Schindeln in der Regel auf eine horizontale, gefälzte Fichtenschalung von 19-, 24- oder 27 mm Brettstärke angeschlagen.[Abb. 20]

Hinweis

Eine zu lose genagelte oder vertikal montierte Schalung führt aufgrund der Holzbewegungen durch Schwinden und Quellen zu Rissen im Schindelschirm.

Die einzelnen Schalungsbretter werden direkt auf die Strickwand oder auf eine vertikale Lattung von 30/50 mm genagelt.

Hinweis

Bei der Montage einer Schindelschalung auf eine Lattung von 30/50 mm entsteht eine stehende Luftschicht. Diese fördert das Austrocknen von Kondensat auf Schalung und Schindelschirm.

[Abb.20]

Schindelschalungen, 2025.

01

Strickbalken: mit Einkerbung für Dichtungsmaterial

02

Schindelschalung; mit Überfälzung vernagelt oder mit Lattung verschraubt

03

Hinterlüftung; durch eine Vertikallattung

Windpapier

Auf die Schindelschalung wird in der Regel eine Papierschicht aufgebracht. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war dies ein langfaseriges, festes Kraftpapier. Heute werden diffusionsoffene Windpapiere dafür verwendet.

Die Schicht dient einerseits als Wetterschutz während der Bauzeit und verhindert das Verziehen der Schalung durch Wasseraufnahme. Auf der anderen Seite dient das Papier trotz den durch die Schindelnägel verursachten Löcher als Winddichtung.

Hinweis

Dampfbremsen oder Dachpappen anstelle von Windpapieren bremsen oder verhindern das Austrocknen von Kondensationsfeuchtigkeit und führen oft zu Fäulnisschäden.

Brandschutz

Als Brandschutzschicht wird auf die Strickwand unter der Schindelschalung eine 15 mm starke Gipsfaserplatte montiert.

Bei erhöhten Anforderungen an den Brandschutz können Schindeln auch auf Holzzementplatten angeschlagen werden. Wegen der Härte der Holzzementplatten müssen die Schindeln mit Haften maschinell befestigt werden.

Nägel

Schindelschirme werden mit Nägeln oder Haften auf die Schindelschalung angeschlagen. Die Materialstärke der drei- oder vierfach übereinanderliegenden Schindeln bewegt sich zwischen 15 - 25 mm beim Glattschirm und 25 - 30 mm beim Schlaufschirm.[Abb. 21]

Hinweis

Die beste Befestigung erfolgt mit von Hand eingeschlagenen Eisennägeln mit Breitkopf, 35-40 mm Länge und 1.4 mm Durchmesser. Für die Montage von Lärchenschindeln werden wegen der Gerbsäure im Holz Nägel aus Chromstahl verwendet.

Bei handgenagelten Schindelschirmen kann auf die unterschiedliche Dicke, Form und Spannung der Schindeln reagiert werden. Die Veränderung des Klangs bzw. Höhe des Tons gibt einen Hinweis auf die richtige Einschlagtiefe des Nagels.

Für die maschinelle Schindelmontage kommen Maschinennägel oder U-förmige Haften mit einer Länge von 30 - 40 mm und einer Breite von 6 mm oder 11 mm zum Einsatz. Bei dieser Methode ist die Einschlagtiefe zwar variierbar, wird aber nicht an die einzelne Schindel angepasst. Die Haften werden horizontal angebracht. Ihr Durchmesser ist geringer als bei Maschinennägeln.

Um Spaltungen zu vermeiden, soll die Befestigungsart auf die Holzqualität abgestimmt werden.

[Abb.21]

1-3 Handnägel, 4 Maschinennagel, 5 Haften, 2024.

Unterhalt und Reperatur

Schäden an Schindelschirmen sind in der Regel die Folge von Fäulnis oder von mechanischer Beschädigung. Defekte Schindeln können einzeln oder als ganze Flächen ersetzt werden. Sie werden mit einem feinen Hebeeisen oder Geissfuss angehoben um anschliessend die freiliegenden Nägel mit einer Stichsäge oder einem Akku-Oszillier zu durchtrennen. Vor der Montage sind die Flickschindeln allseitig zu grundieren.[Abb. 22]

[Abb.22]

Reparaturstelle Glattschirm, Unterrain 22, Teufen, 2024.

Lebensdauer
Hinweis

An Appenzellerhäusern sind viele über 120 Jahre alte Schindelschirme zu finden. Andere Lebensgewohnheiten, höhere Heiztemperaturen sowie mehr beheizte Zimmer und nachträglich angebrachte Wärmedämmungen haben die bauphysikalischen Verhältnisse an historischen Häusern stark verändert.

Das führt zu Vor- und Nachteilen für die betroffenen Bauteile. Wände und Verkleidungen, die in den historischen Konstruktionen wieder trocknen konnten, bleiben länger feucht und nehmen teilweise Schaden. Gemäss den Erfahrungen lokaler Schindelfachleute haben heutige Schindelschirme je nach Holzqualität, Herstellungs- und Anschlagart eine Lebensdauer von 30 - 70 Jahren. Die ersten Schäden an korrekt angeschlagenen Schindelschirmen treten an den Abwürfen über Fenstern und Mauersockeln auf.[Abb. 23]

Hinweis

Recherchen in anderen Regionen der Schweiz mit geschindelten Bauten zeigen, dass dort mit einer Lebensdauer der Schindelschirme von 75 - 125 Jahren gerechnet werden kann.

Ursache für die enormen Unterschiede sind Konstruktionsaufbau und klimatische Verhältnisse. Regentage im bündnerischen Prättigau sind wesentlich seltener als im Appenzellerland.

Schindelschirme an historischen Massivbauten im Waadtländer Jura werden immer auf hinterlüftete Schalungen montiert. Diese trocknen dank der Luftschicht schneller aus und sind deshalb langlebiger.[Abb. 24]

[Abb.23]

Fensterabwurf mit Schäden, Oberdorfstrasse 93 Herisau, 2023.

[Abb.24]

Intakte hinterlüftete Schindelfassade, Waadtländer Jura, Jahr unbekannt.

Schäden

Wegen ihrer Ausladung sind so genannte Abwürfe durch Regen, Hagel und Sonneneinstrahlung besonders belastet. Temperaturunterschiede sind gross und treten plötzlich auf. In der Folge bildet sich Kondensat auf und in der Konstruktionsschicht. Nicht austrocknende Schindeln werden von Schädlingen befallen und faulen, allfällige Farbanstriche blättern ab.

Abwürfe mit abblätternder Farbe und Fäulnisschäden gehören zum Alltagsbild an Appenzellerhäusern. Oft sind unterlassene Unterhaltsarbeiten die Ursache dafür. Wegen ihrer vertrauten und stilbildenden Erscheinung werden Abwürfe trotz ihrer eingeschränkten Dauerhaftigkeit nach wie vor gerne gebaut.

Seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts werden an Holzhäusern neben Abwürfen auch wetterbeständigere Fensterdächlein und Sockelsimse konstruiert. Mit einer zusätzlichen Blechverkleidung wird der Anschluss an die Fassadenverkleidung noch dauerhafter. Die Detailgestaltung mit profilierten Verkleidungen und Simsen nach historischen Vorbildern orientiert sich am damals in europäischen Städten verbreiteten Baustil.

[Abb. 25]

Reparierte und wieder beschädigte Abwürfe, Holderenstrasse 34, Rehetobel, 2023.

[Abb. 26]

Sockelabwurf mit Farb- und Fäulnisschäden, Dorf 46, Speicher, 2023.

[Abb. 27]

Abwürfe mit Fäulnisschäden, Midegg 72, Rehetobel, 2024.

[Abb. 28]

Rundschindelschirm, Fensterdächlein und Blechabdeckung, Dorf 16, Hundwil, 2022.

[Abb. 29]

Rundschindeln, Sockelsims mit Blechabdeckung, Kasernenstrasse 38, Herisau, 2023.

Erhöhte Innenraumtemperatur

Mit den heutigen Zentralheizungen und den veränderten Wohngewohnheiten werden in der Regel alle Räume eines Gebäudes während längerer Heizperioden geheizt. Das führt zu einem erhöhten Dampfdruck auf die Wandkonstruktionen.

Schindelfassaden Neu

Bei renovierten und wärmegedämmten Fassaden sind in einzelnen Fällen auch an roh belassenen Schindelfassaden bereits nach wenigen Jahren Fäulnisschäden aufgetreten. Verantwortlich dafür sind mindestens zwei Ursachen.

Hinweis

An ausgesetzten Lagen mit starken Westwinden entsteht bei tiefen Temperaturen auf der Schindeloberfläche und im Bereich der Schindelschalung nicht mehr trocknende Kondensationsfeuchtigkeit.

Diese gefriert bei Minustemperaturen und verhindert die Diffusionsoffenheit bzw. den Dampfdurchlass.  Bei Tauwetter dringt nicht trocknende Nässe in die Konstruktion ein und führt zu Fäulnisbildung.

Hinweis

Durch eine Wärmedämmung reduziert sich der Wärmeabfluss, welcher bei historischen, ungedämmten Konstruktionen die Trocknung unterstützt.

Schindelfassaden hinterlüftet

In der Vergangenheit wurden im Appenzellerland kompakte Wandkonstruktionen mit einer Schindelschalung direkt auf der Strickwand gebaut. Eine so genannte Hinterlüftung wird in der Regel nur bei neuen, gestrichenen Schindelfassaden eingebaut.[Abb. 30]

Hinweis

Gestrichene Schindelfassaden ohne Hinterlüftung funktionieren auch weiterhin, wenn ausschliesslich hygroskopische Materialien verwendet werden.

Das sind Baustoffe, Grundierungen und Anstriche, die Diffusionsfeuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben können.

Das Schadenrisiko bei neuen Schindelfassaden auf gedämmten Aussenwänden kann minimiert werden, wenn die Schindelschalung mit einer Luftschicht konstruiert wird.

1. Die Schindelschalung wird hinterlüftet mit Lufteintritt und Luftaustritt konstruiert.

2. Die Schindelschalung wird auf eine Vertikallattung montiert. Dabei entsteht eine stehende Luftschicht.

Beide Varianten begünstigen die Austrocknung von Kondensat und erhöhen die Lebensdauer der Schindelschirme.

[Abb.30]

Hinterlüftete Schindelschalung mit Wärmedämmung, 2025.

01

Schindelschalung; überfälzt und mit Vertikallattung verschraubt

02

Hinterlüftung; durch eine Vertikallattung

03

Horizontallattung; gemäss Dämmstärke auf Vertikallattung verschraubt

04

Dämmebene; zwischen der äusseren Horizontallattung

05

Vertikallattung; gemäss der Dämmstärke auf Strickbalken verschraubt

06

Dämmebene; zwischen der inneren Vertikallattung

07

Strickbalken: mit Einkerbung für Dichtungsmaterial

Gestaltung
Schlaufschirm

Bei der ältesten Anschlagart, dem geschlauften Schirm oder Schlaufschirm, überlagern sich die Schindeln horizontal und vertikal. Die Schindeln sind leicht konisch, oben dünner als unten, gespalten. Die Konstruktionsstärke ist wegen der doppelten Überlagerung grösser als bei einem Glattschirm. Die Lebensdauer ebenfalls. Die zusätzlichen Lufträume erhöhen den Dämmwert. Mit trapezförmigen Schindeln wird eine flachere Schuppung und ein ebeneres Erscheinungsbild als mit rechteckigen Schindeln erreicht.

Die unterschiedlich breiten Schindeln werden 2 Grad aus der Vertikale gedreht, sodass an der unteren Schmalseite jeweils eine Tropfkante entsteht. Die Überlappung in der Vertikale beträgt 15 mm. Gemäss Lehrbuch werden Schlaufschirme von Osten nach Westen, das heisst gegen die Hauptwindrichtung, angeschlagen.[Abb. 31]

Hinweis

Erfahrene Fachleute im Appenzellerland messen dieser Lehrmeinung wenig Bedeutung zu. Verwirbelungen am Gebäude würden ihrer Meinung nach zu wechselnden Böen aus allen Richtungen führen. Einen Einfluss der Anschlagrichtung auf die Dauerhaftigkeit der Schlaufschirme konnten sie nicht feststellen.

Die Montagerichtung wird davon bestimmt, ob eine links- oder rechtshändige Person die Arbeit ausführt.

Schlaufschirme sind vorwiegend im Appenzeller Hinterland, das heisst in den Gemeinden westlich der Sitter sowie im Toggenburg und Neckertal verbreitet. Im Mittel- und Vorderland sowie in Appenzell Innerrhoden sind nur vereinzelt Schlaufschirme anzutreffen. Beim Schlaufschirm wird jede Schindel einer neuen Reihe mit je einem Nagel angeschlagen. Die Nagelstelle ist so gewählt, dass sie von der Schindel der nächsten Reihe überdeckt wird. So wird bei einer Dreifachdeckung jede Schindel durch drei Nägel befestigt. Bei 24 cm Schindellänge wird die Nagelstelle durch die darüber liegende Schindelreihe 2 - 4 cm überdeckt. Der Nagel sitzt wegen der seitlichen Überlagerung jeweils am Rand der Schindel. In seltenen Fällen wurde bei der Konstruktion von Abwürfen mit dünnen, gebogenen Schindeln am oberen Rand ein zweiter Nagel eingeschlagen.[Abb. 32]

[Abb.31]

Schlaufschirm roh, Hinterhof 2240, Herisau, 2024.

[Abb.32]

Schlaufschirm, 2025.

01

Schlaufschirm; mit vertikaler und horizontaler Überlagerung der Schindeln

02

Schindel; gespalten, konisch zugeschnitten, seitlich 1-fach genagelt

03

Schindelschalung; überfälzt mit Strickbalken vernagelt

04

Strickbalken: mit Einkerbung für Dichtungsmaterial

Erste Schindelreihe

Das unterste Bauteil der ersten Schindelreihe ist bei allen Verlegearten ein Gipserlättchen mit den Massen von 7 x 24 mm.[Abb. 33]

Hinweis

Schlaufschirme erfordern wegen der zweifachen Überlagerung und der daraus resultierenden Konstruktionsstärke eine besonders konstruierte erste Reihe.

[Abb.33]

Gipserlatte

01

Gipserlatte; als Keil für die Neigung der ersten Schindelreihe ca. 7*24mm

02

Glattschirm; mit vertikaler Überlagerung der Schindeln

03

Schindelschalung; überfälzt mit Strickbalken vernagelt

04

Strickbalken: mit Einkerbung für Dichtungsmaterial, 2025.

Zapfen

Oft wird ein Schlaufschirm mit einem so genannten Zapfen begonnen und auch wieder abgeschlossen. Die Zapfen in der ersten Schindelreihe dienen als Anpassung an Schichtstärke und Anschlagwinkel der darüber liegenden Reihen.[Abb. 34][Abb. 35][Abb. 36]

[Abb.34]

Zapfen links, 2024.

[Abb.35]

Zapfen rechts, 2024.

[Abb.36]

Vorbereitung Zapfen, 2024.

Grosse Überdeckung

Eine höhere Schichtstärke für die erste Reihe wird auch mit einer grösseren horizontalen Überdeckung erreicht. Die Überdeckung beträgt dabei das Doppelte der oberen Reihen. Die damit verbundene Halbierung der sichtbaren Schindelbreite wirkt wie ein Zierstreifen.[Abb. 37]

[Abb.37]

Grosse Überdeckung erste Reihe Schlaufschirm, Rotschwendi 194, Schwellbrunn, 2023.

Glattschirm

Der Glattschirm erzeugt eine feine, ebene Erscheinung der Fassade. Die parallel gespaltenen Rechteckschindeln von unterschiedlicher Breite werden in Reihen nebeneinander angeschlagen. Es ist darauf zu achten, dass die Fugen der Reihen ähnlich einem Mauerwerksverband nicht übereinander liegen.[Abb. 38]

Der Glattschirm kann mit gleich- oder verschieden breiten Schindeln ausgeführt werden.

Glattschirme werden mit zwei Nägeln am linken und rechten Rand der Schindel befestigt. Die Höhe der Nagelstelle wird wie beim Schlaufschirm von der darüber liegenden Reihe 2 - 4 cm überdeckt.[Abb. 39]

[Abb.38]

Glattschirm aus unterschiedlich breiten Fichtenschindeln, mit Ölfarbe gestrichen, 2023.

[Abb.39]

Glattschirm mit einheitlicher Schindelbreite, 2025.

01

Strickbalken: mit Einkerbung für Dichtungsmaterial

02

Schindelschalung; überfälzt mit Strickbalken vernagelt

03

Schindel; gespalten, konisch zugeschnitten, seitlich 2-fach genagelt

04

Glattschirm; mit vertikaler Überlagerung der Schindeln

Rundschindeln

Mit Rundschindeln verkleidete Fassaden sind eine Spielform des Glattschirms. Die Schindeln sind alle gleich breit und unten rund zugeschnitten. Rundschindeln werden handgespalten angeboten, der grösste Teil aber kommt aus maschineller Produktion. Die Schindellänge ist kürzer als bei Schlauf- oder Glattschirmen. Die Fachweite entspricht dem Radius der verwendeten Schindeln.[Abb. 40]

Die Masse von Rundschindeln unterscheiden sich je nach Herkunft. Übliche Rundschindeln sind 54- oder 60 mm breit, 120 -130 mm lang und konisch geschnitten. Die Schindeldicke beträgt bei der Rundung 5 mm, am hinteren Ende 2 mm. Die Überdeckung ist in der Regel 4-fach.[Abb. 41]

[Abb.40]

Rundschindeln gestrichen, Platz 249, Walzenhausen, Herisau, 2024.

[Abb.41]

Rundschindelschirm, 2025.

01

Strickbalken: mit Einkerbung für Dichtungsmaterial

02

Schindelschalung; überfälzt mit Strickbalken vernagelt

03

Schindel; gesägt, rund zugeschnitten, seitlich 2-fach genagelt

04

Schindelschirm; mit vertikaler Überlagerung

Wetterseiten

Starke Temperaturschwankungen bei Sonneneinstrahlung, Windböen sowie schnell zunehmende Feuchtigkeit bei Regen lassen die Schindeln wachsen und schwinden.

Hinweis

Die Wachs- und Schwindbewegungen werden durch Schindelnägel behindert. Die gegenüber Schlauf- und Glattschirmen kürzeren Rundschindeln können sich spalten. Auf Wetterseiten sollten deshalb nur handgespaltene Rundschindeln mit einer Länge von 12 - 13 cm verwendet werden.

An- und Abschlüsse

Schindelflächen benötigen wind- und wasserdichte An- und Abschlüsse. Diese wurden ursprünglich ausschliesslich mit anspruchsvoll ausgeführten Detaillösungen konstruiert. Seit dem 18. Jahrhundert werden auch Rand- und Eckleisten verwendet. Mit ihnen erhalten die Bauten neue architektonische Akzente. Ab dem 19. Jahrhundert werden für An- und Abschlüsse auch Blechstreifen verwendet. Zuerst kommt Eisenblech für die Reparatur von schadhaften exponierten Stellen zum Einsatz. Später entwickeln sich Ecken und Gräte mit Blechabdeckungen zu eigenständigen Baudetails.

Verschluff

Alle oberen und seitlichen Abschlüsse von Schindelflächen werden mit einem so genannten Verschluff geschützt. Der Begriff stammt aus dem mundartlichen «verschlüfe», das heisst verkriechen.

Pilaster, Lisenen, Fenstereinfassungen oder Strickkopfverkleidungen werden ausgefälzt und überdecken die Schindelflächen. Sie stellen einen wind- und regengeschützten Anschluss sicher.[Abb. 42]

Ein Verschluff wirkt gleichzeitig als Einfassung oder Rahmen von geschindelten Fassaden. Gegenüber den geschweiften Schindelverkleidungen verleiht diese Detailgestaltung den Fassaden einen geometrisch gegliederten Ausdruck.

[Abb.42]

Verschluff

01

Schindelschirm; mit vertikaler Überlagerung

02

Verschluff; mit Nut- und Kammverbindung und Ausfassung für den Schindelschirm

03

Schindelschalung; überfälzt mit Strickbalken vernagelt

04

Strickbalken: mit Einkerbung für Dichtungsmaterial

Gebinde

Die obersten Schindelreihen werden nicht von einer nächsten Schicht überdeckt. Deshalb werden unter Vordächern und Fenstersimsen so genannte Gebinde angebracht. Das sind in Längsrichtung horizontal oder in Dachschräge verlaufende Schindelbänder.[Abb. 43][Abb. 44]

[Abb.43]

Gebinde Dachrand und Fenstersims, Glattschirm, Spiessenrüti 498, Teufen, 2022.

[Abb.44]

Gebinde Fenstersims, Rundschindeln, Tobel 103, Lutzenberg, 2022.

Eckausbildung

Um eine dichte Verbindung herzustellen, werden die Schindeln an den Ecken wechselseitig übereinander montiert.[Abb. 45]

Bei geschlauften Schirmen wird die Ecke mit schmalen Schindeln und gestutzten Ecken, einem so genannten Schnauz, ausgebildet.[Abb. 46]

Die schmale Schindel stützt die Eckschindel der darüber liegenden Reihe. Die geschnäuzte Schindelecke dient auch dem konstruktiven Holzschutz, weil unten an der Schräge eine Tropfkante entsteht. Eine gestutzte oder geschnäuzte Ecke wirkt zudem dekorativ.

[Abb.45]

Ecke Glattschirm mit Fasschnitt und wechselnder Überdeckung, Benzenrüti 8, Heiden, 2023.

[Abb.46]

Ecke Schlaufschirm mit gestutzten Eckschindeln, Spiessenrüti 498, Teufen, 2023.

Lisene und Pilaster

Ecken und Strickvorstösse können auch als einfache Lisenen konstruiert werden. Eine Spielform dieser Eckkonstruktion sind nach dem Vorbild historischer Säulen profilierte Pilaster.[Abb. 47][Abb. 48]

[Abb.47]

Ecklisenen an Eingangsvorbau, Hauptstrasse 36, Teufen, 2023.

[Abb.48]

Eckpilaster verziert, St.Gallerstrasse 2, Rehetobel, 2022.

Abwurf

Ein Abwurf schützt die Fenster vor Regen, Hagel und Schnee. Über der Kellermauer dichtet ein Abwurf die Fuge zwischen dem Mauersockel und der aufliegenden Schwelle der Strickwand.

Durch die Verwendung feinerer Schindeln ist es seit dem 19. Jahrhundert möglich, den Abwurf zu schindeln. Der Schindelschirm wird dafür leicht bis deutlich geschweift aus der ebenen Fläche gezogen.

Im Laufe der Zeit wurden die verschiedensten Gestaltungsformen entwickelt. Diese folgen jeweils den zur Bauzeit aktuellen technischen Möglichkeiten und Baustile.

Fensterabwurf

Die horizontalen Anschlüsse an den Fenstersturz werden traditionell mit einem Abwurf konstruiert. Dieser überragt das darunter liegende Bauteil und schützt es vor Schlagregen.[Abb. 49]

Hinweis

Zum Schutz vor schneller Abnützung sollten Abwürfe nicht zu weit aus der Fassadenflucht ausgestellt werden.

[Abb.49]

Fensterabwurf mit Ohrenklappen, 2025.

01

Schindelschirm; auf Unterkonstruktion des Abwurfes

02

Unterkonstruktion; für die Form des Abwurfes

03

Abdeckung; der Unterkonstruktion des Abwurfes

04

Ohrenklappe; als seitlicher Abschluss des Abwurfes und Schutz der Fenster

05

Strickbalken: mit Einkerbung für Dichtungsmaterial

06

Holzfenster; einflüglig, innen angeschlagen

07

Vorfenster; mit schiebbaren Innenflügel, demontierbar

[Abb. 50]

Einfacher Fensterabwurf, Bergweg 5, Trogen, 2024.

[Abb. 51]

Fensterabwurf geschweift, Kohlhalden 11, Speicher, 2024.

[Abb. 52]

Fensterabwurf gewalmt mit geschindeltem Grat, Egglistrasse 9, Teufen, 2024.

[Abb. 53]

Fensterabwurf über Hohlkehle, gewalmt mit Grat und Blechgrat, Dorfstrasse 10, Bühler, 2024.

Ohrenklappen

Für den seitlichen Wetterschutz werden Fensteröffnungen mit so genannten Ohrenklappen versehen. Die gegen unten abnehmende Ausladung der Seitenbretter erleichtert den Ausblick nach links und rechts und begünstigt den Lichteinfall.[Abb. 54][Abb. 55][Abb. 56]

Die verspielt wirkende Formensprache bezieht sich auf den Stil des Barock. Die bewegten Linien sind eine Abfolge von Schwüngen und Gegenschwüngen. Sie werden unterbrochen von innen oder aussen liegenden Kanten. Im 19. Jahrhundert kommen klassizistische Motive in Form von Zotteln oder Quasten dazu.[Abb. 57]

[Abb.54]

Fensterabwurf mit verzierten Ohrenklappen, Robach 25, Rehetobel, 2021.

[Abb.55]

Seitenbretter, Ohrenklappen, Dorf 1, Rehetobel, 2022.

[Abb.56]

Seitenbretter, Ohrenklappen, Spiessenrüti 514, Teufen, 2021.

[Abb.57]

Seitenbretter, Ohrenklappen, Quasten und Zotteln, 2025.

Sockelabwurf

Auch der Übergang vom Schindelschirm zum gemauerten Sockel wird in der Regel mit einem Abwurf konstruiert. Beschädigungsgefahr besteht bei grossen Ausstellwinkeln nicht nur durch die Bewitterung.

Sockelabwürfe werden oft durch vorbeifahrende Fahrzeuge sowie durch daran angelehnte Gegenstände beschädigt.

Anstriche auf Abwürfen halten länger, wenn auf die Grundierung ein Anstrich mit Zugabe von Eisenglimmerfarbe aufgetragen wird.

Bei der Reparatur verfaulter Abwürfe oder zur Vorbeugung künftiger Bauschäden werden vereinzelt auch Blechverkleidungern montiert. Technisch ist das gut zu lösen. Die gestalterische Qualität der ungegliederten Flächen unterscheidet sich von den feingliedrigen Details der historischen Bauweise.[Abb. 58][Abb. 59]

Mit einer nachträglich angebrachten Wärmedämmung kommt der Schindelschirm vor die Flucht des Mauersockels zu liegen. Die Fassadenverkleidung kann deshalb ohne Abwurf über die Kellermauer geführt werden.[Abb. 60]

Für eine stimmige Erscheinung sollte die Flucht des Schindelschirms den massiven Sockel möglichst knapp überragen.[Abb. 61]

Hinweis

Bei zu grossem Vorsprung des Schindelschirms gegenüber dem Sockel scheint das Haus zu «schweben».

[Abb.58]

Sockeldetail mit Abwurf, Ecke mit Blechprofil, Landsgemeindeplatz 10, Trogen, 2023.

[Abb.59]

Abwurf in Blech, Dorfstrasse 10, Bühler, 2022.

[Abb.60]

Sockelübergang ohne Abwurf und Sims, Nord 5, Rehetobel, 2023.

[Abb.61]

Sockelübergang ohne Abwurf und Sims, Speicherstrasse 25c, Teufen, 2023.

Sockelsims

Mit einem Sockelprofil wird die Verbindung von Sockelmauer bzw. Kellergeschoss und den Obergeschossen zu einem architektonischen Element. Formal ist es von der klassischen Architektur beeinflusst.[Abb. 62]

Unterschiedliche Fassadenfluchten lassen sich ausgleichen. Die Abdichtung gegen Wind, Regenwasser und Treibschnee sowie die Platzierung von Gittern zur Hinterlüftung der Fassade sind bautechnisch lösbar.[Abb. 63]

Auch die Verbindung von Abwurf und Sockelprofil wird oft angewendet. Der Gestaltungsspielraum ist gross und erlaubt für alle technischen und gestalterischen Anliegen eine passende Lösung.[Abb. 64]

[Abb.62]

Sockelsims in Blech, Hauptstrasse 28, Speicher, 2024.

[Abb.63]

Abwurf über Karniesprofil, Oberdorfstrasse 95, Herisau, 2024.

[Abb.64]

Abwurf über einfachem Sockelprofil, Dorf 2, Wolfhalden, 2024.

Verkleidung Strickvorstoss

Die Verbindung von Innen- und Aussenwand führt zu einem Strickvorstoss. Vor der Montage eines Schindelschirms wurden die Vorstösse oft abgeschnitten und die fehlende Zugverbindung durch Schrauben und Nägel behelfsmässig wieder hergestellt. Bei Wandkonstruktionen mit Schwalbenschwanzverbindungen sind keine Strickköpfe sichtbar.

Eine Verkleidung der Strickvorstösse durch eine Verschalung mit Brettern ergibt ein lisenenartiges Bauteil.[Abb. 65]

Verschindelte Strickvorstösse erscheinen an der Fassade als leichte vertikale Ausbauchung.[Abb. 66]

[Abb.65]

Strickvorstoss mit Bretterverkleidung, Langenhus 1, Trogen, 2024.

[Abb.66]

Strickvorstoss geschweift geschindelt, Gern 21, Speicher, 2024.

[Abb.67]

Strickvorstoss geschweift geschindelt, Sonderstrasse 1, Rehetobel , 2025.

Verkleidung Fall- und Zugladen

Bei Fensteröffnungen mit Fall- oder Zugladen werden die Führungsschienen und Läden hinter dem Schindelschirm angebracht. Der erforderliche zusätzliche Raum wird vom Schindelschirm wie beim Abwurf oder Strickvorstoss geschweift oder kantig überdeckt.

[Abb.68]

Fallladen hinter Abwurf, Hinterhof 2240, Herisau, 2023.

Anstriche

Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden Holzfassaden mit hellen Ölfarben gestrichen. Einerseits als Wetterschutz und zur Verlängerung der Lebensdauer, andererseits, um den Häusern einen hellen, modernen Ausdruck zu geben.

Das gut haftende aber giftige Bleiweiss als Basis für die Ölfarben steht heute nicht mehr zur Verfügung. Deshalb werden Holzfassaden wieder vermehrt roh belassen oder lediglich mit einer lasierenden Farbe gestrichen.[Abb. 69]

[Abb.69]

J-U. Fitzi, Speicher von NW, Ausschnitt, Gouache um 1850.

Faserzementverkleidung

Historische Appenzellerhäuser wurden ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts oft mit Faserzementplatten oder -schindeln renoviert. So genannter Eternit-Schiefer ist an unzähligen Bauernhäusern und Ställen an den Seiten- und Rückfassaden anzutreffen. Dorfhäuser werden auch allseitig verkleidet.[Abb. 70][Abb. 71][Abb. 72]

Hinweis

Geschichte und Verbreitung des neuen Produkts im Appenzellerland sind bisher kaum erforscht. Die Resultate der noch anstehenden Untersuchungen werden nach Abschluss der Arbeiten präsentiert.

[Abb.70]

Faserzement-Schiefer Rauten, Hechtgasse 10, Wolfhalden, 2023.

[Abb.71]

Faserzement-Schiefer mit Stutzeck, Luchten 92, Wolfhalden, 2023.

[Abb.72]

Faserzement_Schiefer Rechteck, Dorf 57, Wolfhalden, 2023.

Literaturhinweise

Hermann, Isabell. Die Bauernhäuser beider Appenzell. Herisau: Appenzeller Verlag, 2004.

Schlatter, Salomon. Appenzellerhaus und seine Schönheiten. Trogen, Appenzell Ausserrhoden: Heimatschutz Appenzell Ausserrhoden, 1986.

Steinmann, Eugen. Die Kunstdenkmäler des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Basel: Birkhäuser Verlag, 1980.

Gebäudehülle Schweiz, Das Dachdeckerhandwerk in der Schweiz. 3. Auflage, Gebäudehülle Schweiz, Uzwil, 2017.

Abbildungsverzeichnis
[Abb. 1]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 11-0596-16-0021

[Abb. 2]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 11-0460-17-0025

[Abb. 3]

E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Foto: Martin Benz

[Abb. 4]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 12-0070-2022-0005

[Abb. 5]

E-Nachschlagewerk für das Bauen an Historischen Häuser, Foto: Fredi Altherr

[Abb. 6]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 10-0142-19-0028

[Abb. 7]

E-Nachschlagewerk für das Bauen an Historischen Häuser, Foto: Martin Benz

[Abb. 8]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 17-0082-2023-0020

[Abb. 9]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 19-0551-2022-0048

[Abb. 10]

Zürcher Hochschule für angewante Wissenschaften ZHAW, Graph: Dr. Gernod Boiger

[Abb. 11]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 19-0749-16-0001

[Abb. 12]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 02-0111-18-0044

[Abb. 13]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 17-0022-2023-0003

[Abb. 14]

E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häuser, Foto: Fredi Altherr

[Abb. 15]

A2 Architekten, Christoph Stauffer

[Abb. 16]

E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 17]

E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 18]

E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häuser, Foto: Fredi Altherr

[Abb. 19]

Altherr Urnäsch AG, Film: koller.team GmbH

[Abb. 20]

E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick.

[Abb. 21]

E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häuser, Foto: Fredi Altherr

[Abb. 22]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden  / 08-0324-17-0014

[Abb. 23]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 02-0312-2023-0002

[Abb. 24]

SBF Schweizerische Bibliographie zur Frühgeschichte VD, Bd. 1

[Abb. 25]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 13-0146-11-0005

[Abb. 26]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 11-0004-14-0011

[Abb. 27]

E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häuser, Foto: Fredi Altherr

[Abb. 28]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 04-0016-08-0005

[Abb. 29]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 02-0111-18-0054

[Abb. 30]

E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 31]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 02-2240-2024-0047

[Abb. 32]

E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 33]

E-Nachschlagwerk für das Bauen an historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 34]

E-Nachschlagwerk für das Bauen an historischen Häuser, Foto: Fredi Altherr

[Abb. 35]

E-Nachschlagwerk für das Bauen an historischen Häuser, Foto: Fredi Altherr

[Abb. 36]

E-Nachschlagwerk für das Bauen an historischen Häuser, Foto: Fredi Altherr

[Abb. 37]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 03-0194-2024-0023

[Abb. 38]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 17-0002-2023-0003

[Abb. 39]

E-Nachschlagwerk für das Bauen an historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 40]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 19-0249-2022-0001

[Abb. 41]

E-Nachschlagwerk für das Bauen an historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 42]

E-Nachschlagwerk für das Bauen an historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 43]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 08-0498-16-0018

[Abb. 44]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 18-0103-13-0036

[Abb. 45]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 16-0313-09-0008

[Abb. 46]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 08-0514-03-0004

[Abb. 47]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 08-0060-2023-0002

[Abb. 48]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 13-0011-18-0008

[Abb. 49]

E-Nachschlagwerk für das Bauen an historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 50]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 12-0134-2022-0005b

[Abb. 51]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 11-0596-16-0030

[Abb. 52]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 08-0367-16-0005

[Abb. 53]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 09-0041-2024-0005

[Abb. 54]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 13-0364-20-0004

[Abb. 55]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 13-0014-2023-0001

[Abb. 56]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 08-0498-16-0012

[Abb. 57]

E-Nachschlagwerk für das Bauen an historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 58]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 12-0043-13-0060b

[Abb. 59]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 09-0041-2024-0006

[Abb. 60]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 13-0415-14-0002

[Abb. 61]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 08-0023-2023-0009

[Abb. 62]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 11-0050-17-0017

[Abb. 63]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 02-0317-19-0023

[Abb. 64]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 17-0002-2023-0002

[Abb. 65]

E-Nachschlagwerk für das Bauen an historischen Häuser, Foto: Martin Benz

[Abb. 66]

E-Nachschlagwerk für das Bauen an historischen Häuser, Foto: Martin Benz

[Abb. 67]

E-Nachschlagwerk für das Bauen an historischen Häuser, Foto: Fredi Altherr

[Abb. 68]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 02-2240-2024-0023

[Abb. 69]

E-Nachschlagwerk für das Bauen an historischen Häuser, Sammlung: Fredi Altherr

[Abb. 70]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 17-0010-2023-0022

[Abb. 71]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 17-0092-2023-0006

[Abb. 72]

Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 17-0057-2023-0002