E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häusern
E-Nachschlagewerk für das Bauen an historischen Häusern
05 Dachkonstruktion
05 Dachkonstruktion
Überblick
Geschichte
Konstruktion
Gestaltung
Überblick
Allgemein

Dachkonstruktionen bilden Dachräume und schützen die darunterliegenden Geschosse und Räume vor Wind und Wetter. Gleichzeitig bestimmen sie mit ihrer Konstruktion und Gestalt den Ausdruck des Gebäudes entscheidend.

Die Dachkonstruktion überträgt die Lasten der Dacheindeckung sowie von Schnee und Wind auf die darunter liegenden Wände.

 
Dachgeschoss

Im Dachraum oder Dachgeschoss können Räume wie Kammern, Estriche und Nutzungen wie Heustöcke und Schluffe untergebracht werden.[Abb. 1]

Schäden an Dachkonstruktionen wie Balkenbrüche oder Fäulnis entstehen meist im Zusammenhang mit Nutzungsänderungen und unterlassenen Unterhaltsarbeiten. Wärmedämmungen und der Ausbau zu Wohnräumen in unpassender Bauweise können die historischen Konstruktionen überfordern.[Abb. 2][Abb. 3]

[Abb.1]

Dachstock, Dorf 10, Hundwil

[Abb.2]

Firstkammer, Gossauerstrasse 18a, Herisau

[Abb.3]

Firstkammer und Schluff, Badgüetli 2, Waldstatt

Geschichte
Allgemein

Die Dächer der ersten Appenzellerhäuser sind flache Satteldächer mit etwa 30° Neigung. Durch die grossen Brettschindeln der Dachhaut kann der Rauch des offenen Herdfeuers abziehen.

Mit den Entwicklungsschritten vom Einraumhaus zum Kreuzfirsthaus mit einer Raumaufteilung in Keller, Küche, Stuben, Schlafkammern, Gängen, Stall und Heustock wurden auch die Dachkonstruktionen verfeinert. Der Rauch von Herd und Ofen wird über einen Kamin über das Dach geführt.

Seit Mitte des 17. Jahrhunderts stehen Eisennägel für die Befestigung der Holzschindeln zur Verfügung. Sie ermöglichen den Bau von steileren Dächern. Die Dachneigung beträgt nun etwa 45°.

Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ist ein Dachstock ungedämmt. Er verfügt über ein besonderes Raumklima und ist kaum mit Fensteröffnungen belichtet. Die konstruktionsbedingten Fugen und Spalten gewährleisten eine regelmässige Belüftung und halten den Dachraum trocken. Der eigenständige Geruch verändert sich mit den Jahreszeiten und der Aussentemperatur.

Kaltdach

Historische Dachkonstruktionen verfügen über keine Wärmedämmung. Deshalb werden sie als Kaltdächer bezeichnet. Die Hölzer sind sowohl der Sommerhitze wie auch der winterlichen Kälte ausgesetzt. Das Holz von Konstruktion, Schindelunterzug und Dachlattung nimmt wegen seinen hygroskopischen Eigenschaften Luftfeuchtigkeit und durch feine Ritzen eindringenden Treibschnee auf und gibt sie wieder ab.[Abb. 4]

Hinweis

Bei regelmässiger Kontrolle und Unterhalt der Dachhaut hält eine Dachkonstruktion über Jahrhunderte.

HInweis

Um das holzfreundliche Klima eines Kaltdaches nicht zu stören, sollte die Ebene von geplanten Gebäudedämmungen auf oder in den Boden über dem obersten Wohngeschoss gelegt werden.

[Abb.4]

Dachstock alte Gemeindekanzlei Urnäsch mit Archivgestell

Dachnutzung

Im trockenen Dachgeschoss werden Brennholz, Vorfenster, Mobiliar und Kleider gelagert. Dazu kommen Lebensmittel wie Apfelschnitze, Nüsse und Kräuter, die zum Trocknen aufgehängt oder ausgelegt werden.

Soll ein historischer Dachraum zu Wohnzwecken umgenutzt werden, müssen beim Einbau der Wärmedämmung folgende wichtigen Punkte beachtet werden:

Hinweis

Die Dampfdurchlässigkeit oder Dampfdichte von wasserdichten Schichten sowie des Dämmmaterials und der Verkleidungen müssen aufeinander abgestimmt werden. Die Anschlussdetails an die historische Konstruktion mit ihren Unebenheiten und Ritzen müssen von Fall zu Fall bestimmt werden.

Lastenaufzug

Grössere Dachgeschosse verfügen über einen Lastenaufzug. Im Giebelfeld wird durch eine Öffnung mit Klappladen ein Kranbalken nach aussen geschoben oder geschwenkt. Der Ladekran wird mit einer Winde, Hanfseilen und Holz- oder Stahlrollen betrieben.[Abb. 5][Abb. 6]

[Abb.5]

Ladenöffnung mit Kranarm und Warenaufzug, Hinterdorf 9, Trogen

[Abb.6]

Klappladen für Lastenaufzug, Göbsistrasse 709, Teufen

Konstruktion
Pfettendach

Strickbauten werden in der Regel als so genannte Pfetten oder Rafendächer konstruiert. Die Dachbalken oder Rafen liegen in Dachneigung auf den obersten Strickbalken oder Pfetten des Obergeschosses auf und sind mit Holzdübeln gesichert. Die scharfkantig behauenen Pfetten sind im Bereich der Rafenauflager mit Aussparungen versehen.[Abb. 7]

Die Pfetten leiten die Kräfte von Dachkonstruktion, Dachhaut, die Schnee- sowie Windlasten auf die Wandkonstruktion ab.[Abb. 8]

[Abb.7]

Rafen/Sparren auf Pfette mit Holzdübel

[Abb.8]

Pfetten-/Rafendach

01

Flugsparren; liegen auf auskragenden Pfetten

02

Rafen oder Sparren; liegen auf Pfetten

03

Firstpfette; liegt auf Giebelwänden und Pfosten

04

Mittelpfetten; liegen auf Giebelwänden und Firstkammer

05

Fusspfetten; bilden oberen Abschluss der Seitenwände

06

Konsolen; durch Auskragung mehrerer Strickbalken

Sparrendach

Ab dem 19. Jahrhundert werden im Appenzellerland auch Sparrendächer gebaut. Sie erhalten ihren Namen von zu stabilen Dreiecken verbundenen Dachbalken. Die schrägen Dachbalken oder Sparren werden am First mit einer Überblattung oder einem Scherzapfen und Holzdübel verbunden. Die beiden Fusspunkte eines Balkenpaars werden mit einem Versatz und Zapfen mit dem so genannten Bund- oder Streckbalken verankert oder versperrt.[Abb. 9]

Hinweis

Die Bezeichnung «Sparren» für schräge Dachbalken hat sich in der Fach- und Umgangssprache durchgesetzt. Unabhängig davon, ob als Rafen auf Pfetten aufgelegt oder mit Zapfverbindung fest im Bund-, Streck- oder Stichbalken fixiert.

Die Gesamtheit der mit einem Abstand von 80 - 120 cm montierten Sparren wird Sparrenlage genannt.

[Abb.9]

Sparrendach

01

Sparren; mit Versatz auf Streckbalken in Streckbalken eingelassen

02

Aufschiebling; mit Zapfenverbindung auf Sparren

03

Streck- oder Bundbalken; mit Versatz für eingespannte Sparren

04

Scherzapfen oder Überblattung; mit Holzdübel fixiert

05

Kehlbalken; überblattet mit Sparren und Holzdübel fixiert

06

Winderverband; zur Stabilisierung der Sparrenlage

Firstpfette

Historische Firstpfetten sind auf ihrer Oberseite entweder unbehauen und zeigen einen runden Ausschnitt des Stammquerschnitts, die so genannte Wald- oder Baumkante. Oder sie sind im Winkel des Dachs angeschrägt. Die runde oder angeschrägte Form verbessert die Auflage der Sparren und erhöht gleichzeitig die statische Höhe des Balkens.[Abb. 10]

Der teilweise unbehauene Balken ist tragfähiger und benötigt weniger Bearbeitungszeit. Das ist für heutige Maschinen nicht mehr ausschlaggebend, bei historischer Handarbeit mit Breitäxten aber eine willkommene Vereinfachung.

[Abb.10]

Firstpfette mit Baumkante

01

Firstpfette; mit Baumkante im Querschnitt

02

Sparren; mit Überblattung beim First

Spannweite

Bei grösseren Spannweiten oder höheren Dachlasten muss die Konstruktion verstärkt werden. Die einfachste Form ist der Einbau eines so genannten Kehlbalkens. Dieser stützt das Sparrenpaar horizontal ab gegeneinander und versteift es. Ohne Verstärkung durch Kehlbalken würden die feinen Querschnitte durchbiegen oder brechen.[Abb. 11]

[Abb.11]

Kehlbalken als Verstärkung der Sparrenpaare

Dachstuhl

Bei Dächern von Ställen, Fabrikantenhäusern, Remisen und öffentlichen Bauten sind grössere Grundrisse zu überspannen. Grundkonstruktionen mit Pfetten, Sparren und Rafen müssen wegen der erforderlichen Spannweiten verstärkt werden.[Abb. 12][Abb. 13]

Die Konstruktionselemente mit verstärkenden Stützen und Streben werden Dachstuhl genannt. Der Dachkonstruktion wird gewissermassen ein Stuhl untergeschoben.

Werden dafür vertikale Stützen eingesetzt, wird die Konstruktion als stehender Stuhl bezeichnet.

Tragen Streben die Lasten der Dachneigung folgend auf Fusspfetten ab, handelt es sich um einen liegenden Stuhl.

[Abb.12]

Stall mit Walmdach, Untere Neuschwendi 1, Trogen

[Abb.13]

Dachstuhl eh. Remise, Buchenstrasse 5, Herisau

[Abb. 14]

stehender Stuhl

[Abb. 15]

liegender Stuhl

Binder

Die Pfosten und Bundstreben der stehenden und liegenden Stühle werden in Abständen von rund 4.00 m angebracht. Diese Binderkonstruktionen tragen die Firstpfette. Sie übernehmen zusammen mit den Giebelwänden auch die Querstabilisierung des Daches.

Die Bundstreben liegender Dachstühle werden über Bund- oder Streckbalken zu stabilen Dreiecken zusammengefügt. Das ermöglicht die Konstruktion stützenfreier Dachräume. Die zwischen den Bindern liegenden Pfetten und Sparren erhalten keine zusätzliche Verstärkung.

Überlagerte Konstruktionen und Brücken

Beim Bau grosser Dächer werden die Konstruktionsarten meist gemischt oder überlagert. Die Masse der Konstruktionshölzer berücksichtigt Erfahrungen aus Vorgängerbauten und die Anforderungen an Bearbeitung und Statik der unterschiedlichen Verbindungsdetails wie z.B. Kerfen, Zapfen, Überblattungen und Zangen.

Die Binder grosser Dachstühle sind eigentliche Brückenkonstruktionen. Die darunter liegenden Räume sollen nicht mit Stützen und Zwischenwänden verstellt werden. Dazu überbrücken komplizierte Konstruktionen grosse Spannweiten und leiten die Dachlasten auf die Aussenwände ab.

Festsäle und Kirchen

Dächer von öffentlichen Bauten wie Gemeindehäuser, Zeughäuser und Kirchen sowie Dächer von Fabrikantenhäuser sind mit brückenähnlichen Elementen konstruiert.[Abb. 16][Abb. 17][Abb. 18]

Hinweis

Mitglieder der Baumeisterfamilie Grubenmann aus Teufen sind als Konstrukteure anspruchsvoller Dachstühle und Brücken bis heute international bekannt.

[Abb.16]

Querschnitt Pfarr- und Gemeindehaus, Landsgemeindeplatz 1, Trogen

[Abb.17]

Dachstuhl Fabrikantenhaus, Landsgemeindeplatz 11, Trogen

[Abb.18]

Kubelbrücke, Herisau/Stein

Stichbalken

Strickbauten sind in der Regel mit Dielenböden konstruiert.[Abb. 19]

Um über dem ohne Balkenlage konstruierten Dielenboden ein Sparrendach aufrichten zu können, werden Stichbalken eingebaut. Das sind Balkenstücke von etwa 80 cm Länge, die über Zapfenverbindungen mit einem parallel zur Aussenwand geführten Balken verbunden sind. 

[Abb.19]

Stickbalken, Wechsel und Aufschiebling

[Abb. 20]

Aufschiebling mit minimaler Auskragung

[Abb. 21]

Aufschiebling mit erhöhter Auskragung

Aufschiebling

Die auf Streck-, Bund- oder Stichbalken gesetzten Sparren enden konstruktionsbedingt innerhalb des Gebäudegrundrisses. Um den so genannten Dachfuss vor Wind und Wetter zu schützen, werden Aufschieblinge auf die Sparren und Stichbalken gesetzt. Darauf wird die Dachhaut mit Schindellattung, Schindelunterzug, Konterlattung, Dachlatten und Dachziegeln montiert und als Vordach über die Fassadenebene geführt.[Abb. 22]

Aufschieblinge führen zu einer Verflachung der Dachneigung. Der so entstandene Knick wird auch Dachbruch genannt.

Die markante Form eines geknickten Daches mit Aufschieblingen lässt nicht immer auf ein Sparrendach schliessen. Oft werden Dächer der schönen Form wegen mit Dachbruch konstruiert.

In anderen Fällen markiert ein Dachbruch den Übergang zu einem anderen, gleichzeitig oder später angebauten Hausteil. Die Sparren erhalten keine Überlänge und das Hausvolumen wird gegliedert.[Abb. 23]

[Abb.22]

Dach mit Aufschieblingen/Dachbruch, Dorf 2, Stein

[Abb.23]

Anbau mit Dachbruch, Birli 88, Wald

Kniestock

Zur Vergrösserung des nutzbaren Dachraums kann ein Kniestock konstruiert werden. Dabei handelt es sich um eine Anhebung des Dachfusses um 60-80 cm über das Niveau der letzten Geschossdecke. Die Bauweise mit Stichbalken kann damit kombiniert werden.[Abb. 24]

[Abb.24]

Kniestock, Spinnerei/Stickerei, Oberdorf 60, Schönengrund

Holzquerschnitt

An historischen Dächern sind die Sparren als liegende Querschnitte verbaut. Auf diese Weise erhöht sich die Auflagefläche auf den Pfetten. Die Sparren können nicht kippen.[Abb. 25]

Bei heutigen Dachkonstruktionen werden die Sparren stehend montiert. Ein stehender Querschnitt verfügt über mehr statische Höhe und kann grösserer Kräfte aufnehmen, verlangt aber nach Stabilisierung. Die Sparren werden mit Kerven versehen, auf die Pfetten aufgelegt und mit einem grossen eisernen Sparrennagel fixiert.[Abb. 26]

[Abb.25]

Sparrenquerschnitte, Weidschopf, Gais

[Abb.26]

Sparren mit Kerbe

01

Firstpfette; mit orthogonalem Querschnitt

02

Sparren; mit Kerve für das Auflager und gesichert durch Zimmermannsnagel

Sparrenverstärkung

Wird eine Dacheindeckung mit einfach verlegten Biberschwanzziegeln durch eine schwerere Eindeckung mit Biberschwanz-Doppeldeckung oder durch Muldenfalzziegel ersetzt, müssen feine Sparrenquerschnitte verstärkt werden.

Nach dem Einbau einer Wärmedämmung bleibt auf der Dachhaut mehr Schnee liegen. Die nicht mehr durch aufsteigende Wärme schmelzende Schneelast kann zum Bruch von Dachsparren führen.

Eine Sparrenverstärkung wird durch links und rechts an den Sparren montierte Bretter konstruiert.[Abb. 27]

[Abb.27]

Sparrenverstärkung

01

Sparren oder Rafen; mit liegendem Querschnitt

02

Einfache Deckung; mit Biberschwanzziegel

03

Sparrenverstärkung; als seitliche Aufdopplung

04

Doppeldeckung; mit Biberschwanzziegel

Kreuzkopf und Kreuzgwett

Die Dachräume bescheidener Häuser im Appenzeller Vorderland und im angrenzenden Rheintal sind oft ohne Firstkammer gebaut. Mittelpfetten tragen die Dachlasten auf die Aussenwände ab. Um die Giebelwände nicht ausbauchen zu lassen, werden anstelle der Firstkammerwände Kreuzköpfe oder so genannte «Kreuzgwette» eingebaut. Die verdübelten Balkenstummel zeigen sich an der Aussenwand wie Wände einer durchgestrickten Firstkammer.[Abb. 28]

[Abb.28]

Kreuzkopf oder Kreuzgwett, Schwantlern 23, Gais

Dachflächenfenster

Dachräume werden für die Belüftung, Belichtung und zur Verbesserung der Nutzung durch Ein- oder Aufbauten ergänzt. Die einfachste Form ist das Dachflächenfenster. An historischen Häusern sollten dafür lediglich Fenstergrössen von 55 x 70 cm verwendet werden. Fenster dieser Grösse lassen sich ohne Verletzung der Sparren einbauen. Sie stören die geschlossene Erscheinung der Dachfläche nur minimal.[Abb. 29]

[Abb.29]

Dachflächenfenster, Poststrasse 26, Heiden

Gauben

Bei Bedarf nach grösseren Öffnungen können Schlepp- oder Giebelgauben ins Dach eingefügt werden.[Abb. 30]

[Abb.30]

Giebelgaube, Hinterdorf 1, Trogen

Lukarne

Wird ein Dachaufbau direkt auf die Fassadenflucht gestellt, wird er als Lukarne bezeichnet.[Abb. 31]

[Abb.31]

Giebellukarne, Hauptstrasse 37, Speicher

Auswechslung

Beim Einbau von Dachgauben muss wegen des Sparrenabstands von 80 - 120 cm in der Regel eine grössere Öffnung konstruiert werden. Die regelmässige Sparrenordnung wird unterbrochen. Mit zwei quer zur Sparrenrichtung eingefügten Balken wird eine kraftschlüssige Verbindung hergestellt. Die so genannte Auswechslung überträgt die auftretenden Kräfte auf die benachbarten Sparren.[Abb. 32]

[Abb.32]

Auswechslung Sparrenlage

01

Sparren oder Rafen; liegen auf den Pfetten auf

02

Wechsel; als Verbindung zu seitlichen Sparren zur Übertragung der Kräfte

03

Hilfssparren oder Sticher; für das Einpassen der benötigen Öffnung

Elementbauweise
Hinweis

Neue Dachaufbauten werden in der Regel mit einer Wärmedämmung konstruiert. Die Ausmasse einer Schlepp- oder Giebelgaube gestatten eine Vorfertigung in der Werkstatt. Dämmungen und allfällige Wind- oder Dampfbremsen können dort einfacher eingebaut werden. Die Wand- und Dachquerschnitte sollen für eine gute Erscheinung möglichst fein bemessen werden.

Die Wand- und Dachquerschnitte sollen für eine gute Erscheinung möglichst fein bemessen werden. Zur Versteifung der Konstruktion und für die Aufnahme der Verkleidung wird aussen und innen eine Schalung aufgebracht. Anschliessend wird das vorgefertigte Element direkt auf die vorher erstellte Auswechslung versetzt.[Abb. 33]

[Abb.33]

Giebelgaube mit Blechverkleidung, Gossauerstrasse 51, Herisau

Gestaltung
Walmdach

Öffentliche Bauten und Fabrikantenhäuser unterscheiden sich von den Dorf- und Bauernhäusern auch durch die Dachform. Am markantesten sind Walmdächer mit ihren auf allen vier Gebäudeseiten sichtbaren Traufen.[Abb. 34][Abb. 35]

[Abb.34]

Walmdach, Fabrikantenhaus mit Quergiebel, Alte Landstrasse 82, Wolfhalden

[Abb.35]

Walmdach, eh. Waisenhaus, Holderschwendi 16, Speicher

Mansardendach

Für einem Mansardendach wird ein Sattel- oder Walmdach geknickt. Unter der ersten, steileren Partie, werden Mansardenzimmer mit Mansardenfenstern untergebracht.[Abb. 36] Der Name führt zurück auf Jules Hardouin-Mansart (1646-1708). Er war Hofarchitekt bei Louis XIV.[Abb. 37]

[Abb.36]

Mansardendach mit Quergiebel, Langgasse 10, Gais

[Abb.37]

Mansardengeschoss, Unterdorf 10, Wald

Flugsparren

Die vordersten Sparren eines Vordachs werden Flugsparren genannt. Sie liegen auf auskragenden Pfetten und sind über die Verkleidung der Untersicht, der Schindel- und Konterlattung sowie dem Ortbrett mit der Dachkonstruktion verbunden.[Abb. 38]

Eine Spielform der Flugsparrenbefestigung ist das Flugsparrendreieck. Bei Vordächern ohne Untersichtverkleidung übernimmt es die Funktion des Bund- oder Stichbalkens eines Sparrendaches. Stichbalken und Hängesäulen werden mit dem Sparren zu starren Dreiecken verbunden.[Abb. 39][Abb. 40]

Wegen der Ähnlichkeit mit der Ziffer 4 und der verbreiteten Anwendung an historischen Bauten im Kanton Zürich wird das Detail auch «Zörivieri» genannt.

Das Flugsparrendreieck ist ein dekoratives Element aus dem 19. Jahrhundert. Es ist an Bauern- und Dorfhäusern wie auch an öffentlichen Bauten anzutreffen.

[Abb.38]

Vordach mit auskragenden Pfetten, Schachen 4, Reute

[Abb.39]

Vordach mit Flugsparrendreieck, Hartmannsrüti 227, Grub

[Abb.40]

Schulhaus Gitzibüchel 189, Lutzenberg

Holzverbindungen

Die technische Ausführung von Holzverbindungen ändert sich im Laufe der Zeit. Die Konstruktionsdetails ermöglichen das Zusammenspiel von Zug- Druck- und Scherkräften.[Abb. 41]

Hinweis

Die jeweils zur Verfügung stehenden Werkzeuge und der Baustil beeinflussen die Form der Details.

Die gängigsten historischen Holzverbindungen heissen Zapfen, Scherzapfen, Überblattung, Versatz und Schwalbenschwanz. Als zusätzliche Befestigungsmittel werden Holzdübel und Holznägel, ab dem 19. Jahrhundert Eisennägel und Schrauben verwendet.

[Abb.41]

Holzverbindung Kubelbrücke, Herisau/Stein

[Abb. 42]

Schwalbenschwanz

[Abb. 43]

Kreuzblatt

[Abb. 44]

Zapfen

[Abb. 45]

Eckblatt

[Abb. 46]

Scherzapfen

[Abb. 47]

Stirnversatz

Nagelplatte

Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden vermehrt verleimte Balken sowie Bolzen- und Nagelplatten als Verbindungselemente verbaut.

Verbindungen mit Nagelplatten sind günstiger als in handwerklich ausgeführten Details. Sie erfüllen in der Regel die technischen Anforderungen an eine Verbindung.

Nagelplatten passen sich den handwerklich bearbeiteten Bauteilen nicht an. Die Verbindungen wirken deshalb unpräzise.

Oberflächen und Kanten alt und neu

Historische Konstruktionshölzer und Bohlen wurden von Hand oder mit wasserbetriebenen Gattersägen geschnitten. Die weitere Bearbeitung erfolgte mit Handsäge, Hobel, Stecheisen und Handbohrer.

Hinweis

Die Holzoberflächen zeigen entsprechende Bearbeitungsspuren. Mit modernen Maschinen gefertigte Elemente sind scharfkantig und glatt. Bei Verbindungen historischer Schwellen, Pfosten, Balken und Streben mit neuen Holzelementen sind Konstruktionsdetails und Bearbeitungsart deshalb anzugleichen.

Literaturhinweise

Hermann, Isabell. Die Bauernhäuser beider Appenzell. Herisau: Appenzeller Verlag, 2004.

Schlatter, Salomon. Appenzellerhaus und seine Schönheiten. Trogen, Appenzell Ausserrhoden: Heimatschutz Appenzell Ausserrhoden, 1986.

Steinmann, Eugen. Die Kunstdenkmäler des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Basel: Birkhäuser Verlag, 1980.

Grunder, Paul. Das Appenzellerhaus, Blockbau, Strickbau im Appenzellerland. Teufen: Paul Grunder AG

Eissing, Thomas, Furrer Benno. Vorindustrieller Holzbau in Südwestdeutschland und der deutschsprachigen Schweiz, Terminologie und Systematik. Südwestdeutsche Beiträge zur historischen Bauforschung, Sonderband, Esslingen, 2012.

Institut für Denkmalpflege und Bauforschung ETH Zürich, Kantonalen Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden. Appenzeller Strickbau, Untersuchungen zum ländlichen Gebäudebestand in Appenzell Ausserrhoden. Zürich: vdf Hochschulverlag AG, 2011.

Abbildungsverzeichnis
[Abb. 1]

Dachstock, Dorf 10, Hundwil, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 04-0010-20

[Abb. 2]

Firstkammer, Gossauerstrasse 18a, Herisau, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 02-1008-20-0038

[Abb. 3]

Firstkammer und Schluff, Badgüetli 2, Waldstatt, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 07-0350-09-0072

[Abb. 4]

Dachstock alte Gemeindekanzlei Urnäsch mit Archivgestell, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 01-0002

[Abb. 5]

Ladenöffnung mit Kranarm und Warenaufzug, Hinterdorf 9, Trogen, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 12-0025

[Abb. 6]

Klappladen für Lastenaufzug, Göbsistrasse 709, Teufen, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 08-0709-17-0029

[Abb. 7]

Rafen/Sparren auf Pfette mit Holzdübel, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 07-0350-09-0103

[Abb. 8]

Pfetten-/Rafendach, 2024.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 9]

Sparrendach, 2024.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 10]

Firstpfette mit Baumkante, 2024.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 11]

Kehlbalken als Verstärkung der Sparrenpaare, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 12-0025

[Abb. 12]

Stall mit Walmdach, Untere Neuschw. 1, Trogen, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 12-0224-13-0194

[Abb. 13]

Dachstuhl eh. Remise, Buchenstrasse 5, Herisau, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 02-1455-11

[Abb. 14]

stehender Stuhl, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 15]

liegender Stuhl, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 16]

Querschnitt Pfarr- und Gemeindehaus, Landsgemeindeplatz 1, Trogen, 1980.
Kunstdenkmäler Bd.II Appenzell Ausserrhoden

[Abb. 17]

Dachstuhl Fabrikantenhaus, Landsgemeindeplatz 11, Trogen, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 12-0045

[Abb. 18]

Kubelbrücke, Herisau/Stein, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 05-0435

[Abb. 19]

Stickbalken, Wechsel und Aufschiebling, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 13-0017

[Abb. 20]

Aufschiebling mit minimaler Auskragung, 2024.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 21]

Aufschiebling mit erhöhter Auskragung, 2024.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 22]

Dach mit Aufschieblingen/Dachbruch, Dorf 2, Stein, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / unbekannt

[Abb. 23]

Anbau mit Dachbruch, Birli 88, Wald, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 14-0088-15

[Abb. 24]

Kniestock, Spinnerei/Stickerei, Oberdorf 60, Schönengrund, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 10-0276

[Abb. 25]

Sparrenquerschnitte, Weidschopf, Gais, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 10-0276

[Abb. 26]

Sparren mit Kerbe, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 27]

Sparrenverstärkung, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 28]

Kreuzkopf oder Kreuzgwett, Schwantlern 23, Gais, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 10-0276

[Abb. 29]

Dachflächenfenster, Poststrasse 26, Heiden, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 16-0806-17-0020

[Abb. 30]

Giebelgaube, Hinterdorf 1, Trogen, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 12-0031-10-0028

[Abb. 31]

Giebellukarne, Hauptstrasse 37, Speicher, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 11-0093-14-0020

[Abb. 32]

Auswechslung Sparrenlage, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 33]

Giebelgaube mit Blechverkleidung, Gossauerstrasse 51, Herisau, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 02-1065-16-0022

[Abb. 34]

Walmdach, Fabrikantenhaus mit Quergiebel, Alte Landstrasse 82, Wolfhalden, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Foto: Martin Benz

[Abb. 35]

Walmdach, eh. Waisenhaus, Holderschwendi 16, Speicher, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Foto: Martin Benz

[Abb. 36]

Mansardendach mit Quergiebel, Langgasse 10, Gais, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Foto: Martin Benz

[Abb. 37]

Mansardengeschoss, Unterdorf 10, Wald, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 14-0010-08-0002

[Abb. 38]

Vordach mit auskragenden Pfetten, Schachen 4, Reute, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Foto: Martin Benz

[Abb. 39]

Vordach mit Flugsparrendreieck, Hartmannsrüti 227, Grub, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 15-0227-06-0002

[Abb. 40]

Schulhaus Gitzibüchel 189, Lutzenberg, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 18-0189-11-0012b

[Abb. 41]

Holzverbindung Kubelbrücke, Herisau/Stein, 2023.
Kantonale Denkmalpflege Appenzell Ausserrhoden / 05-0435

[Abb. 42]

Schwalbenschwanz, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 43]

Kreuzblatt, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 44]

Zapfen, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 45]

Eckblatt, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 46]

Scherzapfen, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick

[Abb. 47]

Stirnversatz, 2023.
E-Nachschlagewerk für das Bauen and historischen Häuser, Zeichnung: Moritz Wick